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Der Blutrichter

Der Blutrichter

Titel: Der Blutrichter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Stelling
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ja, das ist wohl richtig«, gluckste |257| der Alte, der sich köstlich über Hinriks Ahnungslosigkeit zu amüsieren schien. »Aber er hatte seine Schattenseiten.«
    »Zum Beispiel?«
    »Ich bin ihm in Ansbach begegnet. Wie du sicherlich weißt, dürfen dort Zweikämpfe ausgetragen werden, Kämpfe auf Leben und Tod.«
    »In Ansbach, Würzburg, Schäbisch-Hall und in einigen anderen Städten. Wenn es um ein Gottesurteil geht.« Forschend blickte er den Alten an, um irgendetwas an ihm zu erkennen, was ihm bekannt war. Doch er fand nichts. »Wer bist du, und woher ist dir das alles bekannt?«
    »Nur ein Pferdeknecht«, antwortete sein Gegenüber. »Ich bin Peter, der sich um die Pferde der Ritter gekümmert und der dabei manches gehört hat, was möglicherweise nicht für seine Ohren bestimmt war.«
    »Vergiss dein Wort nicht. Was war mit diesen Zweikämpfen?«
    »Sie finden nicht so ohne weiteres statt. Oh nein. Bis es dazu kommt, sind einige Hürden zu überwinden. Natürlich ist eine Einwilligung der Obrigkeit erforderlich. Der Fall muss vor Gericht verhandelt worden sein, und wenn dabei die Wahrheit nicht zu Tage kommt, muss man einen anderen Weg beschreiten.«
    Hinrik stand der Kirche und den Priestern kritisch gegenüber, gerade weil er einen nicht wesentlichen Teil seiner Jugend in ihrem Kreis verbracht hatte. Unerschütterlich war er aber in seinem Glauben daran, dass Gott jederzeit bereit war, vielleicht durch ein Wunder, in das Geschehen auf der Erde einzugreifen. Er hatte selbst erlebt, wie die Priester sich bemühten, diesen Glauben zu vertiefen und auszudehnen, so dass die Gläubigen Wunder ebenso von Gott erhofften wie von der Jungfrau Maria, ihrem Sohn und sogar von den Aposteln. Auf diesen |258| Glauben stützten sich die Gottesurteile. Durch sie wollte man in unlösbar erscheinenden Fällen Schuld oder Unschuld eines Angeklagten herausfinden.
    Wer seine Unschuld nicht beweisen konnte, hatte das Recht, sich einem Gottesurteil zu unterwerfen. Wer tatsächlich frei von Schuld war, konnte dabei auf göttliche Hilfe durch ein Wunder hoffen. Verlangten die Richter etwa, dass jemand mit bloßen Händen ein Stück glühendes Eisen über eine gewisse Strecke trug, ohne sich dabei zu verbrennen, konnte eine ausbleibende Verbrennung die Unschuld beweisen.
    Er war dabei gewesen, als ein des Mordes Angeklagter in schier auswegloser Lage das Bahrrecht für sich in Anspruch nahm. Dabei wurde der Leichnam des Getöteten auf eine Bahre gelegt. Der Verdächtigte musste die Hand des Toten ergreifen und beschwören, dass er nichts mit der Tat zu tun hatte. Danach erwartete das Gericht, dass sich die Hand der Leiche bewegte, vielleicht nur ein wenig zuckte, oder dass der Tote ein Auge für einen kurzen Moment öffnete, um die Unschuld zu bestätigen. Was nicht geschah.
    Gebräuchlicher als alle Unschuldserprobungen war die Berufung auf das Gottesurteil des Zweikampfes. Wenn der Angeklagte es forderte, musste der Ankläger sich ihm in einem Zweikampf stellen. Die Kontrahenten mussten kämpfen, bis einer starb. Wer siegte, galt als von Gott beschützt und somit als unschuldig.
    »Ein Adliger hatte einen Bürgerlichen beschuldigt, ein schweres Verbrechen begangen zu haben. Ich weiß nicht mehr genau, was das war«, fuhr Peter fort.
    »Unwichtig«, wertete Hinrik, der nicht an einer allzu ausführlichen Schilderung interessiert war, sondern vor allem wissen wollte, was sein Vater mit dem Geschehen zu tun gehabt hatte.
    |259| »Nun konnte der Adlige keinerlei Beweise vorbringen. Nach langen und umständlichen Verhandlungen, Ermahnungen und Bemühungen, eine friedliche Einigung herbeizuführen, die alle scheiterten, entschied man sich für ein Gottesurteil.«
    »Das ist nicht ungewöhnlich. Und?«
    »Wie du weißt, darf ein Adliger nur gegen einen Adligen kämpfen, nicht aber gegen einen Bürgerlichen. Der Bürgerliche aber hat das Recht, einen Stellvertreter für sich antreten zu lassen.«
    Hinrik vom Diek ahnte, was kommen würde. Er verzichtete auf die Fragen, die ihm auf der Zunge lagen, und hörte schweigend zu. Der Alte sprach langsam, verlor hin und wieder den Faden und drückte sich recht umständlich aus. Doch das war nicht wichtig. Hinrik wurde nicht ungeduldig. Zeit spielte keine Rolle mehr für ihn. Es war egal, ob er mit dem Alten sprach oder in Gedanken versunken dasaß. Am Ende wartete das Schwert auf ihn, und sein Kopf würde auf einen Pfahl auf dem Grasbrook genagelt werden, so dass ihn die Besatzungen aller

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