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Der blutrote Kolibri

Der blutrote Kolibri

Titel: Der blutrote Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo P. Lassak
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Kopf, tausend Erkenntnisse, die zu ihr kamen wie ungebetene Gäste. War Perlenhaut ein unschuldiger Mörder?
    Makuku erwies sich als hervorragende Ablenkung. Die La maguastute begrüßte Animaya mit heftigem Hufgetrappel, hob dann aber leicht irritiert den Kopf, als der blutrote Kolibri hereingeflogen kam. Diese Vögel gehörten doch in den Wald, schien Makuku zu wissen.
    Animaya trat zu ihr in die Box, drückte den schmalen Schädel liebevoll an die Brust und flüsterte ihr zärtliche Worte ins Ohr. Vorsichtig öffnete sie ihr danach das Maul und betrachtete die Reißzähne. Sie waren bräunlich verfärbt und benötigten dringend Pflege. Als Animaya das Gebiss mit einem fein gespaltenen Zweig polierte, schnaubte Makuku zufrieden.
    Â»Und jetzt will ich mir mal deinen Nachwuchs ansehen.«
    Bereitwillig legte sich Makuku der Länge nach in die Blätterstreu. Animaya kniete sich neben sie. Zärtlich, aber doch mit festem Griff, betastete sie den Bauch der Stute, so wie Tinku Chaki es ihr beigebracht hatte. Dabei redete sie mit sanften Worten auf die werdende Mutter ein. Das hier würde ihr erstes Fohlen werden. Trotz aller Instinkte schien die bevorstehende Geburt Makuku jetzt schon sehr aufzuregen.
    Â»Alles bestens!«, lobte Animaya. »Dein Baby liegt genau richtig, du machst das sehr gut! Aber ein paar Tage musst du dich noch gedulden.«
    Sie stand wieder auf. Auch Makuku kämpfte sich auf die Beine. Als Animaya die Box verließ, jaulte die Stute auf. »Ich habe noch ein paar andere werdende Mütter zu versorgen«, flüsterte Animaya liebevoll. »Aber wenn du dein Kind bekommst, bin ich da, das verspreche ich dir.«
    Makuku verstand. Sie senkte den Blick und schmatzte zum Abschied.
    Den Rest des Tages lud sich Animaya die doppelte und dreifache Arbeit wie sonst auf die Schultern. Sie kümmerte sich um die trächtigen Stuten, verteilte Futter, bürstete das Fell der Jungtiere, legte frische Streu aus und half sogar den Putzern beim Säubern der Ställe, was absolut nicht ihre Aufgabe war.
    Als draußen der tägliche Regen einsetzte und die Natur so den Abend einläutete, spürte Animaya jeden Knochen im Leib. Sie hatte sich völlig verausgabt. Mit schmerzenden Muskeln schleppte sie sich zum Speicher, um ihre tägliche Maisration abzuholen. Sie fiel heute noch geringer aus als sonst. Die Kämmerer entschuldigten sich mit betretenen Mienen. Wenn die Karawane nicht bald eintraf, waren die Speicher leer und sogar die Göttertiere würden hungern müssen.
    An einem Bassin auf dem Platz der Reinheit wusch sich Animaya den Dreck von der Haut, bevor sie sich weiter kraftlos nach Hause schleppte. Im Flur lief sie Calico direkt in die Arme.
    Â»Na, schöne Frau?«, flüsterte er mit einem anzüglichen Grinsen. »Woher kommst du so spät?«
    In der Tat hatte Animaya gerade noch rechtzeitig die Straße verlassen. Die Papageien des Inka drehten bereits krächzend ihre Runde über Paititi.
    Â»Von der Arbeit, woher sonst?«, antwortete Animaya gereizt. Sie wollte sich an dem fetten Klingenschleifer vorbeizwängen, aber Calico hielt sie grob fest.
    Â»Du bist jetzt kein Kind mehr, Animaya.« Er leckte sich über die wulstigen Lippen. »Tupac wollte dich nicht, also sind jetzt andere Männer an der Reihe. Schlaf ab heute bei mir, du wirst es nicht bereuen!«
    Animayas Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Einerseits dachte sie: Wenn er wirklich ein Spitzel ist, dann solltest du dich besser mit ihm gut stellen. Aber andererseits hatte sie noch immer Wisyas Worte im Ohr: Bleibe wie ein Kind! Achte auf dein Gefühl! Und ehe Calico sichs versah, spuckte sie ihm ihre gesamte Abscheu in einem weißen Klumpen ins Gesicht.
    Â»Fass mich nie wieder an, hörst du!«, zischte sie giftig. »Sonst schlitze ich dir in der Nacht den fetten Wanst auf!«
    Calicos Gesicht wurde aschfahl, die Hand auf Animayas Schulter schlaff. Sein Mund klappte zu. Ohne einen Kommentar abzugeben, verschwand er in seiner Kammer.
    Der Brei, den sich Animaya aus Mais vom Vortag bereitete, war fad und jeder Bissen blieb ihr in der Kehle stecken. Für Achachi hatte sie eine Blüte aus dem goldenen Gehege mitgenommen, die für die gefangenen Kolibris weit vor der Stadt gepflückt worden war.
    Natürlich war es keine gute Idee gewesen, Calico zu beleidigen. Aber wenn sie nicht einmal mehr über ihren eigenen

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