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Der blutrote Kolibri

Der blutrote Kolibri

Titel: Der blutrote Kolibri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thilo P. Lassak
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ihr eigenes.
    Â»Nimm dies als Entschuldigung, Krokodilreiter«, flüsterte sie lächelnd. »Zwei Jahre lang habe ich euch gehasst für etwas, was ihr niemals getan habt.« Liebevoll fuhr sie die Konturen des Mannes auf der Bahre nach. »Mein Vater. Kapnu Singa hat uns erzählt, eure Krieger hätten ihn umgebracht. Dabei war er es selbst.«
    Â»Kommt mal her!«, zischte Pillpa vom anderen Ende der Halle. Hand in Hand liefen Animaya und Natan zu ihr.
    Pillpa lehnte an der Wand und tastete sie mit den Handflächen ab. »Viel kann ich nicht erspüren, aber hier ist etwas Merkwürdiges. Ich bin in der Zeit zurückgegangen. Auf jeder Platte waren Bäume. Ab hier sind keine mehr.«
    Pillpa hatte wirklich eine besondere Steintafel gefunden. Auf dem gesamten Stein waren nicht viele kleine Szenen abgebildet wie auf den anderen. Diese hier zeigte eine einzige Begebenheit auf großer Fläche.
    Animaya brauchte mehrere Minuten, bis sie alles deuten konnte. In einem Tal lag eine riesige Stadt. Kämpfe fanden statt, überall stapelten sich die Leichen. Ein paar von ihnen erhoben sich mit augenlosen Lidern in die Luft – eindeutig Albinas.
    Die Angreifer trugen Helme. Ihre Gesichter waren schraffiert gemeißelt, sodass sie weiß erschienen. Auf dem Berg darüber saß eine kleine Gruppe Menschen mit Pflöcken in den Ohren und sah dem Gemetzel zu. In ihrer Mitte eine Sänfte mit der Goldenen Maske und ein Mann, über dessen Kopf eine Sonne hing – das Zeichen des Inka.
    Auf der nächsten Platte stieg der Inka mit seinem Gefolge vom Berg hinab in einen riesigen Wald. Die Goldene Maske war bei ihnen. Mit ihren Schwertern töteten sie zahlreiche Waldbewohner. Sie bauten eine neue Stadt. Die weißen Männer hingegen fuhren auf gewaltigen Bäumen über das Wasser davon. Aber ein paar von ihnen blieben zurück.
    Â»Das ist es!«, begriff sie. »Die Goldene Maske hat den Inka vor dem Angriff der weißhäutigen Menschen gewarnt. Und was hat er gemacht? Er ist nur mit seinen Adeligen geflohen. Die Mehrzahl seiner Untertanen hat er geopfert – deshalb jagen uns die Albinas! Sie sind als Menschen von ihrem Herrscher verraten worden, dem sie vertrauten!«
    Natan nickte. »Und jetzt hat die Maske Tupac wieder gewarnt. Die Geschichte wiederholt sich. Er wollte mit den Generälen die Stadt zurücklassen, aber die Albinas haben davon erfahren. Sie durchkreuzten seinen Plan, indem sie die Maiskarawane aufhielten.«
    Animaya schluckte. »Jetzt müssen wir nur noch wissen, was bei Tupacs Krönung geschah.«
    Â»Sucht nach Figuren mit einer Sonne über dem Kopf«, schlug Pillpa vor. »Weiter unten im Saal.«
    Natan und Animaya liefen die Reihe entlang, Jahrhunderte flogen in Minuten an ihnen vorbei. Animaya sah sich immer wieder stirnrunzelnd einzelne Szenen an. In unregelmäßigen Abständen wurden Bewohner Paititis hingerichtet, zu den Maisminen abtransportiert oder verhungerten. Die ersten Lamaguas tauchten auf. Bald schwirrte Animaya der Kopf. Nichts von dem, was die Lehrer ihnen über Jahre hinweg eingetrichtert hatten, stimmte.
    Dann endlich fanden sie die richtige Stelle. Auf einem Bild schlug ein Mann dem Inka das Haupt ab. In der nächsten Szene leuchtete die Sonne über ihm, aber nur sehr mickrig. Getötete Kinder lagen zu seinen Füßen.
    Vor der Stadtmauer aber standen eine Frau und ein Mann eng beieinander. Jeder von ihnen hielt ein Baby auf dem Arm. Die Frau trug ein Diadem, das Zeichen der Königin. Ihr Baby musste der Sohn des Inka sein, der überlebt hatte. Der wahre Thronfolger.
    Animaya biss sich auf die Lippen. Der Mann neben der Königin war Tinku Chaki, ihr Vater! Anscheinend hatte er der Ehefrau des getöteten Inka und ihrem Baby zur Flucht verholfen. Dann … dann musste das andere Baby sie selbst sein.
    Â»Der Junge, den wir suchen, ist wie ich vierzehn Jahre alt«, sagte sie leise.
    Natan ging zur nächsten Platte. »Seht her!«
    Die Frau eilte alleine durch den Dschungel. Die Albinas, die hinter den Bäumen lauerten, rührten sie nicht an. Bevor sie das große Wasser erreichen konnte, kreisten Lamaguareiter sie ein und brachten sie in die Maisminen. Aber da war sie allein. Sie musste den Thronfolger auf ihrer Flucht zurückgelassen haben.
    Ratt, ratt.
    Â»Im Wald kann das Baby nicht überlebt haben«, schloss Pillpa. »Und er lebt noch, sonst

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