Der Bodyguard: Zwischen High Society und Unterwelt (German Edition)
Verrückter dazwischen steht und der Schutzperson ans Leder will. Dass jemand so nah an die Schutzperson rankommt, sollte aber eher der Ausnahmefall sein.
Als Türsteher ist das was anderes. Da ist in der Regel alle zwei Wochen richtig Stress. Meistens bleibt es bei verbalen Beleidigungen: »Ich-fick-deine-Mutter«-Tralala. Wenn sich ein Mitarbeiter da schon beleidigt und angemacht fühlt, im Zuge dessen die Fassung verliert und draufhaut, fliegt er sofort raus. So jemanden kann ich nicht gebrauchen.
An dem Abend, als mein Bewerber an der Tür stand, kam irgendwann ein Betrunkener aus der Discothek. Er randalierte und pöbelte alle an, die in sein Sichtfeld kamen. Er war schon fast aus der Tür raus, als er sich noch mal umdrehte und übelst gegen uns loswetterte.
Und was macht unser Bewerber? – Rennt hin und haut den um!
Das war das Aus, der konnte sofort heimgehen. So was geht gar nicht. Überhaupt, wenn jemand besoffen ist, braucht man den nur ein bisschen antippen, und er fällt um. Aber mein »Sicherheitsmann« baute sich vor dem auf und fühlte sich dabei so richtig stark. Nein, feige ist das!
Besoffene habe ich noch nie weggeschlagen. Im Gegenteil, ich finde, dass wir als Türsteher da sogar eine besondere Fürsorgepflicht haben. Wenn Leute besoffen sind, muss man sie zu ihren Leuten bringen oder zum Taxi. Die wissen doch am nächsten Tag nicht mehr, was sie getan haben. Klar, wenn sie aggressiv sind und handgreiflich werden, muss man sicherstellen, dass sie keinen verletzen. Aber dann muss man eben die Polizei rufen, damit sie in der Zelle ausnüchtern können.
Dass ich meinen Bewerber heimgeschickt hatte, war nicht weiter ungewöhnlich. Bei mir stellen sich laufend Leute vor, die für uns arbeiten wollen. Aber es gibt nicht viele gute. Vor einigen Monaten kam ein vermeintlicher Top-Mann zu mir ins Büro, mit dem hatte ich ein super Vorstellungsgespräch. Er passte schon von der Optik. Er kam aus der Ukraine, war an die zwei Meter groß und sah auf den ersten Blick wie ein Security aus: bullig und kräftig. Im Gespräch machte er sich gut, man merkte, dass er auch was im Kopf hat. Zwei Jahre lang war er im Ausland gewesen, hatte die komplette Personenschutz-Ausbildung, Kommandoführer, Führerscheine, Erste Hilfe, sprach mehrere Sprachen, darunter Deutsch. Und sagte, es wäre für ihn eine Ehre, bei uns zu arbeiten.
Vorher hatte er bei einem der größten Sicherheitsunternehmen der Welt gearbeitet. Er war gerade in diversen U-Bahn-Stationen im Einsatz gewesen, denn es war Weihnachtszeit, und da gibt es besonders viele Selbstmorde. Also steht Sicherheitspersonal da, das die einfahrenden Züge und die Fahrgäste beobachtet, um darauf aufzupassen, dass sich keiner vor den Zug stürzt.
Er erzählte mir, dass er für diese Aufgabe 7,50 Euro die Stunde bekommen hatte, was für dieses Unternehmen noch verhältnismäßig viel ist. Da wird normalerweise nur der Mindestlohn von derzeit 6,53 Euro plus Zuschläge bezahlt. Meine Angestellten bekommen zwischen 8 und 10 Euro die Stunde. Es kommt auf die Qualifikation und den Einsatz an. Logischerweise verdient ein Mitarbeiter im Personenschutzeinsatz noch mehr, ungefähr das Dreifache. Türsteher bekommen eine Pauschale, da ist Abrechnung nach Stunden nicht üblich. Es gibt auch einen Tarifvertrag für das Sicherheitsgewerbe, da werden Türsteher überhaupt nicht beachtet. Das fällt wohl unter den Objektschutz. Wenn ich meinen Jungs an der Tür nur 6,53 Euro zahlen würde, müsste ich mich wieder selber hinstellen, weil ich keine Leute hätte. Also gibt’s entsprechend mehr.
Der Bewerber war grundsätzlich in Ordnung, und gut geschulte Leute kann ich überall gebrauchen – dachte ich. Ich ging volles Risiko und stellte ihn noch am selben Tag ein. Nach ein paar Tagen Einarbeitung in meine Objekte erhielt ich die Feedbacks von Auftraggebern und Mitarbeitern: arrogant, besserwisserisch, Selbstdarsteller, Schwätzer, unpünktlich und so weiter. Ich wollte es erst nicht glauben. Schließlich lieferte er mir den Grund für die Entlassung. Eines Tages erschien er bei dem Objekt, für das er eingetragen war, gar nicht zur Arbeit. Angeblich hatte er den Dienstplan falsch gelesen.
Das ist nur eines von vielen Beispielen, mit welchen Pflegefällen man es in unserer Branche zu tun hat. Oft hat man große, kräftige, die nur eine große Klappe und nichts dahinter haben. Oder smarte Typen, die anatomische Blindgänger sind. Es ist selten so, dass man einen
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