Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
allzu viel anfangen kann.
SPD und Grüne hingegen sind angenehm überrascht. Wulff will
sich eines gesellschaftlichen Themas annehmen, das vor allem mit
Rot-Grün verbunden wird. Zweifellos ist dieser Schwerpunkt nicht
ganz frei von taktischen Überlegungen. Will er glaubwürdig unter
Beweis stellen, dass er als Bundespräsident über den Parteien steht,
dann müssen sich auch diejenigen in den Inhalten seiner Präsidentschaft wiederfinden, die ihn nicht gewählt haben. Das erhöht zudem
die Chancen auf eine Wiederwahl in fünf Jahren, denn niemand weiß,
wie die Bundesversammlung dann zusammengesetzt sein wird. Es
wäre jedoch unangemessen, Wulff ausschließlich taktische Motive zu
unterstellen. Tatsächlich hatte er das Thema bereits als Ministerpräsident für sich erkannt. 2005 hielt Wulff bei der Jahresversammlung der
Eugen-Biser-Stiftung in der Münchner Hofkirche eine Rede über den
„Interreligiösen Dialog als Aufgabe unserer Gesellschaft". Die Rede
hätte dem einen oder anderen in der Union einen Hinweis geben können, was da in dieser Richtung von einem Bundespräsidenten Wulff
wohl zu erwarten wäre, aber sie fand seinerzeit so gut wie keine Beachtung. Auch ernannte er die Muslimin Aygül Özkan zur Ministerin
in Niedersachsen, bevor an einen Wechsel ins Bellevue überhaupt zu
denken war.
Amtsübergabe: Die Köhlers gehen, die Wulffs kommen (2.7.2010)
Rücktritt: Christian und Bettina Wulff verlassen die Pressekonferenz (17.2.2012)
Tag der Deutschen Einheit: „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland"
(3.10.2010)
Medien: Glaeseker und Wulff im Gespräch mit Journalisten an Bord
der Regierungsmaschine (14.10.2010)
Glamour: Die Wulffs beim Bundespresseball (26.11.2010)
Israel: Wulff mit Tochter Annalena und Israels Präsident Peres in Yad Vashem
(28.11.2010)
Russland: Das Präsidentenpaar
im Schnellzug Sapsan
(13.10.2010)
1001 Nacht: Die Wulffs beim Staatsbesuch in Oman (8.12.2011)
Präsidentenfreunde: Der türkische
Präsident Gül und Christian Wulff
in Osnabrück (20.9.2011)
Präsidentenflüsterer: Olaf Glaeseker
in Kuwait (13.12.2011)
Krise: Der Spiegel-Titel nach Beginn der „Causa Wulff" (17.12.2011)
Medienecho: Schlagzeilen nach Wulffs TV-Interview (5.1.2012)
Italien: Wulff mit Präsident Napolitano in Rom (13.2.2012)
Rücktritt: Christian Wulff gibt auf (17.2.2012)
Demütigung: Wulff beim Großen Zapfenstreich (8.3.2012)
Vereidigung: Daniela Schadt, Joachim Gauck, Bettina und Christian Wulff
im Bundestag (23.3.2012)
Veränderung: Wulff bei der Gedenkfeier für den Widerstand gegen das
NS-Regime (20.7.2012)
Der Präsident aus Niedersachsen
ls in Hannover bekannt wird, dass Christian Wulff Bundespräsident werden soll, können sich das einige recht gut vorstellen. „Er hatte sich einen ziemlich präsidialen Stil angewöhnt", erinnert sich jemand, der unter Wulff Minister war. Das kam
nicht nur gut an, manch einer war durchaus erfreut, als der Ministerpräsident seine Sachen packte. Unmittelbar, bevor die Präsidentenfrage auf den Tisch kam, hatte Wulff sich in den eigenen Reihen mit
einer Kabinettsumbildung im April 2010 ziemlich unbeliebt gemacht.
Der Ministerpräsident entschied sich, gleich zwei neue Gesichter von
außerhalb zu holen, nämlich die türkischstämmige Aygül Özkan aus
Hamburg, die Wulff zur Sozial- und Integrationsministerin machte,
und Johanna Wanka aus Brandenburg, die Kultusministerin wurde.
Beide Personalentscheidungen waren ein Novum: Mit Özkan wurde
die erste Muslimin überhaupt in Deutschland Ministerin und mit
Wanka die erste Ostdeutsche Ministerin in einem westdeutschen
Bundesland.
Das konnte man durchaus vorbildlich oder eben auch präsidial finden und für einen Ministerpräsidenten mit CDU-Parteibuch setzte
Wulff hier tatsächlich Maßstäbe. Vor allem bedeutete es aber, dass so
mancher in der CDU Niedersachsen herb enttäuscht wurde. Hinzu
kam, dass Wulff seinem Innenminister Uwe Schünemann, bekannt
als Hardliner, die Zuständigkeit für das Thema Integration wegnahm.
Christian Wulff, so viel steht fest, macht sich im Laufe seines politischen Aufstiegs eine Menge Feinde. Wie viel Neid und Missgunst es
gab, wird deutlich, als Bettina Wulff im Sommer 2012 offensiv gegen
die Gerüchte über ihr angebliches Vorleben im Rotlichtmilieu vorgeht.
In diesem Zusammenhang recherchiert die Süddeutsche Zeitung, dass
die Gerüchte ihren Ursprung auch in niedersächsischen
Weitere Kostenlose Bücher