Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Titel: Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Götschenberg
Vom Netzwerk:
unzufrieden ist. Noch Wochen später schwärmen Unionsabgeordnete im Bundestag von
Kochs Auftritt. Er wirkt.

    Im dritten Wahlgang schließlich kommt Christian Wulff auf 625
Stimmen und erreicht damit nicht nur die nötige einfache, sondern
sogar die absolute Mehrheit der Stimmen, die er in den ersten beiden
Wahlgängen verfehlt hatte. Bevor Wulff die Wahl annimmt, unterschreibt er die Rücktrittserklärung als Ministerpräsident von Niedersachsen. Dass er sich entschieden hatte, mit dem Rücktritt bis zur
Wahl zu warten, war nicht gerade ein ermutigendes Signal. Dadurch
erweckt Wulff den Eindruck, er wolle sich für alle Fälle die Option
offen halten, Ministerpräsident in Niedersachsen zu bleiben, sollte es
am Ende mit der Präsidentenwahl doch nichts werden. Wulff bezeichnet das einige Monate nach seiner Wahl bei einem Hintergrundgespräch mit Journalisten selbst als Fehler. Dabei will er eigentlich ein
anderes Signal geben: Er will den Eindruck vermeiden, als sei die Sache
ohnehin schon entschieden. Wulff befürchtet, man könnte ihm das
als Arroganz der Macht auslegen. Dass er im dritten Wahlgang sogar
die absolute Mehrheit der Stimmen erreicht, spielt bei der Kommentierung der Wahl durch die Medien meist keine Rolle: Im Vordergrund
steht, dass trotz der komfortablen schwarz-gelben Mehrheit drei Wahlgänge nötig sind, sodass die Wahl vielfach als Demütigung interpretiert wird, allerdings vor allem für die Kanzlerin. In der Süddeutschen
Zeitung ist von einem „Zahltag für Merkel" die Rede.

    Tatsächlich erreicht die Kanzlerin mit der Präsidentenwahl das Gegenteil von dem, was sie wollte: Nicht die Handlungsfähigkeit ihrer
Koalition wird eindrucksvoll unter Beweis gestellt, sondern ihr Autoritätsverlust. Über die Motive der Delegierten, die bei Union und FDP
zunächst nicht Wulff wählen, kann man nur spekulieren. Bei einigen
spielt zweifellos eine Rolle, dass sie Merkel einen Denkzettel verpassen
wollen. Diejenigen in der FDP, die sich von Merkel gedemütigt fühlen,
und jene in der Union, denen Merkels Kurs nicht passt. Das sind nicht wenige. Andere wiederum stehen Gauck einfach näher als Wulff und
sind nicht bereit, nur aus Parteidisziplin ihr Kreuz bei Wulff zu machen. Das gilt vor allem für die schwarz-gelben Delegierten aus Ostdeutschland. „Gauck war einer von ihnen - das regionale Zusammengehörigkeitsgefühl wog für viele mehr als die Parteizugehörigkeit",
erklärt ein Mitglied der CDU-Führung. Im Ergebnis ist das Signal
dennoch eindeutig: Angela Merkel geht nicht gestärkt, sondern geschwächt aus der Wahl des Bundespräsidenten hervor. Im ARDDeutschlandtrend des Monats Juli ist das unübersehbar: Zwei Drittel
der Befragten sehen in der Präsidentenwahl eine Blamage für Angela
Merkel. Über drei Viertel sind sogar überzeugt davon, dass Merkel
ihre Koalition nicht mehr im Griff hat. Und Christian Wulff selbst?

    Der Göttinger Politologe Franz Walter, ein SPD-Mitglied, kann
unmittelbar nach der Wahl das Debakel, das die Medien diagnostizierten, nicht erkennen. „Wulff hatte am Ende einen Vorsprung von
131 Stimmen. Da war die Legitimationsbasis der Präsidenten Köhler,
Herzog, Rau schmaler. Oder denken Sie an Gustav Heinemann: Der
hatte ein Plus von ganzen fünf Stimmen. Wie Herzog musste er in den
dritten Wahlgang, beide kamen auf weniger Stimmen als Wulff, beide
wurden Präsidenten mit markantem Renommee: Bürgerpräsident der
eine, Ruckpräsident der andere", bilanziert Walter in einem Interview
mit der Berliner Zeitung. Zweifellos ist die Wahl nicht so gelaufen, wie
Merkel wollte, sie war aber ganz nach dem Geschmack der Medien.
Fest steht, dass Wulff der Verlauf der Bundesversammlung zumindest
bei der Akzeptanz in der Bevölkerung nicht schadet. Im ARDDeutschlandtrend von Infratest dimap meinen im Juli bereits erstaunliche 58 Prozent der Befragten, dass mit Wulff am Ende der richtige
Kandidat gewählt worden sei. Fast drei Viertel zeigen sich sogar überzeugt, dass Wulff ein guter Bundespräsident werden würde. Besonders
gut kommt dabei an, dass mit Wulff ein vergleichsweise junger Präsident ins Amt kommt: 78 Prozent der Befragten geben an, gut zu finden, dass ein jüngerer Kandidat zum Zug kommt.
    So schnell die Begeisterung für Joachim Gauck entsteht, so kurz
hält sie an: Dass Gauck die bessere Wahl gewesen wäre, glaubt nur noch ein Drittel. Auch sonst kommt Wulff gut an: 82 Prozent der
Befragten finden ihn sympathisch, fast genauso

Weitere Kostenlose Bücher