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Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Titel: Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Götschenberg
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aller Menschen bin, die hier in Deutschland leben."
Wulff vermeidet es, auf die Sarrazin-Debatte einzugehen, streift sie
aber mit der Bemerkung: „Weil diese Menschen mit ausländischen
Wurzeln mir wichtig sind, will ich nicht, dass sie verletzt werden in
durchaus notwendigen Debatten. Legendenbildung, Zementierung
von Vorurteilen und Ausgrenzung dürfen wir nicht zulassen." Die
Zukunft gehöre den Nationen, fährt Wulff fort, die offen seien für
kulturelle Vielfalt, für neue Ideen und für die Auseinandersetzung mit
Fremden und Fremdem. In diesem Zusammenhang zitiert er auch
Johannes Rau, der zehn Jahre vorher schon appelliert habe, „ohne
Angst und ohne Träumereien" in Deutschland zu leben.

    Wulff fordert auch die Migranten auf, ihren Beitrag zu leisten,
indem er feststellt, es sei Konsens, „dass man Deutsch lernen muss,
wenn man hier lebt", und dass in Deutschland deutsches Recht und
Gesetz zu gelten hätten. Allerdings gebe es Nachholbedarf, vor allem
bei Integrations- und Sprachkursen für die ganze Familie, bei Unterrichtsangeboten in Muttersprachen, aber auch bei islamischem Religionsunterricht. Er kommt dann zur Kernaussage seiner Rede: Es
gehe um ein Verständnis von Deutschland, bei dem sich die Zugehörigkeit nicht auf den Pass, die Familiengeschichte oder den Glauben
verenge. „Das Christentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das
Judentum gehört zweifelsfrei zu Deutschland. Das ist unsere christlich-jüdische Geschichte. Aber der Islam gehört inzwischen auch zu
Deutschland."

    Dieser Satz verfehlt seine Wirkung nicht. „Ihm war von vornherein
klar, dass das Widerspruch hervorrufen würde", erinnert sich ein enger Mitarbeiter Wulffs. Die Provokation durch die Zuspitzung und
die Unschärfe der Formulierung ist durchaus kalkuliert. In den Tagen
danach kommt eine Debatte in Gang, in der Wulff viel Lob und
Kritik erhält, aber auch angegriffen wird. Vor allem in der eigenen
politischen Familie verursacht der Satz, auf den die Aussage der Rede
schließlich reduziert wird, manchem erhebliche Schmerzen. Die
Kanzlerin äußert sich zunächst unmittelbar nach der Einheitsfeier in
Bremen nichtssagend freundlich. „Ich glaube, dass die Frage, was
bedeutet ein Volk, vom Bundespräsidenten sehr schön in die Zukunft
beantwortet wurde." In den folgenden Tagen bricht sich dann aber
in der Union eine Art Leitkulturdebatte Bahn. Zunächst distanziert
sich vor allem die CSU von Wulffs Aussage über den Islam. „Unsere
Grundwerte gründen klar in einer christlich-abendländischen Tradition", stellt der bayerische Innenminister Joachim Herrmann fest und
sieht „überhaupt keinen Anlass, den Islam in unsere Werteordnung
zu integrieren". Die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) meint, die Aussage könne missverstanden werden, und
Hans-Peter Friedrich, Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag,
bekennt offen: „Dass der Islam Teil unserer Kultur ist, unterschreibe
ich nicht."
    Dann melden sich auch in der CDU kritische Stimmen zu Wort.
Wolfgang Bosbach, der Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses,
meint, der Islam sei zwar inzwischen Teil der Lebenswirklichkeit in
Deutschland, „aber zu uns gehört die christlich-jüdische Tradition".
Schließlich gibt Volker Kauder, der Chef der Unionsfraktion im Bundestag, dem Grummeln in seiner Herde Ausdruck, indem er feststellt,
die Rede Wulffs habe dazu geführt, „dass erklärende Interpretationen
notwendig geworden sind". Dass einer aus den eigenen Reihen, den
man gerade erst zum Bundespräsidenten gemacht hat, sich inhaltlich
„rot grün" positioniert, ist für viele in der Union eine bittere Pille. Bei
einer Sitzung des CDU-Präsidiums meint ein Teilnehmer nüchtern:
„Das haben wir jetzt davon."

    Die Kanzlerin meint schließlich, die Aussage des Bundespräsidenten
zurechtrücken zu müssen, allerdings ohne Wulff dabei zu widersprechen. Drei Tage nach Wulffs Rede betont Merkel auf einer CDU-Regionalkonferenz in Wiesbaden, dass in Deutschland „ganz eindeutig
das Grundgesetz und nicht die Scharia" gelte und bezeichnet die christlich-jüdischen Werte als „prägende Kraft unserer Kultur", wofür sie jede
Menge Applaus bekommt. Zwei Wochen später macht Merkel sich
dann zwar Wulffs Satz bei einer weiteren CDU-Regionalkonferenz in
Lübeck zu eigen, schränkt aber ein, dass es nicht „den" Islam gebe. Die
Kanzlerin versucht erkennbar, der unionsinternen Kritik an Wulff die
Spitze zu nehmen.

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