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Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien

Titel: Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Götschenberg
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Bei SPD, Grünen und Linken punktet Wulff mit
seiner Rede. Einerseits beobachtet man mit Genugtuung, wie die Union selbst das größte Problem mit „ihrem" Bundespräsidenten hat. Andererseits muss die Opposition im Bundestag erleben, dass sie gar nicht
anders kann, als dem „konservativen" Bundespräsidenten zuzustimmen. So meint Jürgen Trittin genüsslich, dass Wulff die Konservativen
„mit ein paar Grundwahrheiten" konfrontiert habe. Und der Chef der
Linksfraktion, Gregor Gysi, findet Wulffs Aussagen „nicht so schlecht".
Es gelingt dem neuen Bundespräsidenten mit seiner Rede zum 3. Oktober 2010, den parteipolitischen Stallgeruch loszuwerden.

    Auch in den Medien provoziert die Rede sehr unterschiedliche
Kommentare. Das konservative Spektrum reagiert zurückhaltend bis
ablehnend: Vor allem die Frankfurter Allgemeine Zeitung kann mit der
Islam-Umarmung des Bundespräsidenten wenig anfangen und kommentiert die Rede zum Tag der deutschen Einheit in Grund und Boden. Wulff wolle „alle und alles miteinander versöhnen" und habe kein
Sensorium dafür, „wie sehr sich die alteingesessene Bevölkerung vom
vorrückenden Islam bedroht fühlt". Andere wiederum versöhnt die
Rede mit dem neuen Präsidenten. Der Berliner Tagesspiegel stellt fest,
dass Wulff viele Vorurteile über ihn und das Amt „mit einem Streich"
widerlegt habe. Und in der Süddeutschen Zeitung heißt es: „Er be herrscht zwar die Kunst der großen Rede nicht, aber er hat zum zwanzigjährigen Jubiläum der Einheit eine gute, respektable Rede gehalten;
sie war zwar nicht rhetorisch, aber inhaltlich reichhaltig. Das Land
kann sich hinter seinen Gedanken versammeln."

    Mit seiner Rede zum Tag der deutschen Einheit gelingt es Wulff,
der belastenden Debatte um die Thesen von Sarrazin ein Ende zu
setzen oder ihr zumindest eine neue Richtung zu geben. Von nun an
wird über Wulffs Satz „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland" diskutiert und nicht mehr über Sarrazins „Juden-Gen" und andere Biologismen in seinem Buch „Deutschland schafft sich ab". Jens
Böhrnsen (SPD), als Bürgermeister von Bremen ist er am 3. Oktober
Gastgeber der Einheitsfeier, sieht in der Rede des Bundespräsidenten
deshalb einen „wichtigen Kontrapunkt zu der Debatte, die Sarrazin
angestoßen hat". Die Muslime sind dankbar dafür. Kenan Kolat, der
Chef der türkischen Gemeinde in Deutschland, sagt im Oktober 2010
ungeschminkt: „Nach diesen langen und unsäglichen Diskussionen
in den letzten Wochen denke ich, dass Wulff auch unser Präsident
geworden ist." Im Sommer 2012 wundert sich Kolat immer noch über
das Echo, das Wulffs Satz zum Islam zwei Jahre vorher ausgelöst hat.
„Wulff hat am 3. Oktober Selbstverständlichkeiten gesagt, dennoch
war es eine Revolution. Der Islam war immer in Europa, Wulff hat
die Realität geschildert. Die Debatte zeigt, dass die Gesellschaft in
Deutschland noch nicht vorbereitet ist, ein Einwanderungsland zu
sein. Es war gut, dass Wulff das gesagt hat, denn es war eine Art Gegenpol zur deutschen Leitkulturdebatte."

    In vielerlei Hinsicht ist Wulffs Rede zum 3. Oktober ein Befreiungsschlag für den Präsidenten. Nach den ersten 100 Tagen, in denen er
überwiegend kritisch wahrgenommen worden ist, gelingt es Wulff, die
Stimmung zu drehen, auch wenn es viel Widerspruch zu seiner Rede
gibt. Nach der Rede zum 3. Oktober ist Wulff Bundespräsident. Sie
beendet auch die unterschwellige Diskussion um den Sinn des Amtes, die mit dem Rücktritt von Horst Köhler aufgekommen ist. Es gibt
wieder einen Präsidenten, der tut, wofür das Amt da ist: Er bringt
gesellschaftliche Debatten in Gang, die nötig sind. Unabhängig davon,
wie man zu der Rede zum 3. Oktober inhaltlich steht, ist nicht zu
bestreiten, dass Wulff mit dem ziemlich banalen Satz „Der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland" eine große Wirkung erzielt.
„Das war ein Satz ohne Hinterland", erinnert sich die Grüne Renate
Künast im Oktober 2012, also gut zwei Jahre später. „Aber ich war
doch angenehm überrascht. Der Satz hat bei einem Teil der Gesellschaft etwas ausgelöst, bei denen, die noch nicht so weit waren - das
Entscheidende war, dass es einer von der CDU gesagt hat."

    Die interpretationsbedürftige Vereinfachung, die Wulff dabei unmittelbar nach seiner Rede zum Vorwurf gemacht wird, ist letztlich
der Grund, dass die Debatte überhaupt entsteht. Joachim Gauck hat
diesen Satz im Mai 2012 als neuer Bundespräsident in

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