Der böse Wulff?: Die Geschichte hinter der Geschichte und die Rolle der Medien
Beobachtungen am Rande. Grundsätzlich vermittelt die Frau des Bundespräsidenten nicht den Eindruck,
ihre Rolle als Martyrium zu empfinden.
Als First Lady engagiert Bettina Wulff sich vor allem für benachteiligte Kinder. Sie übernimmt die Schirmherrschaft der „Deutschen
Kinder- und Jugendstiftung", hinzu kommen die Schirmherrschaften
für das UN-Kinderhilfswerk UNICEF und das Müttergenesungswerk, die schon alle Präsidentenehefrauen vor ihr übernommen haben. Sie entschließt sich außerdem, die Stiftung „Eine Chance für
Kinder", die sie in Niedersachsen unterstützt hat, auf Berlin auszu dehnen. Die Stiftung fördert den Einsatz von Familienhebammen,
die vor allem sozial schwache, oft süchtige oder auch alleinerziehende,
sehr junge Mütter unterstützen.
Der neue Bundespräsident ist ein Workaholic. Nicht nur auf Reisen,
auch in Deutschland absolviert Wulff ein enormes Arbeitspensum.
Dabei verlangt er dem präsidialen Apparat einiges ab. Er packt sich
seinen Terminkalender ähnlich voll wie seinerzeit als Ministerpräsident
in Niedersachsen: Im Vergleich zu seinem Vorgänger Horst Köhler
nimmt er deutlich mehr Termine wahr. Das stößt im Amt nicht nur
auf Begeisterung. Nach einigen Monaten hört man vereinzelt ein leises
Stöhnen. Es gebe keinen Anlass, ständig und überall so viele Termine
wahrzunehmen, beklagen sich gelegentlich die Mitarbeiter. Wulff habe
in dieser Hinsicht den Schalter nicht umgelegt und verhalte sich immer
noch wie ein Ministerpräsident. Besonders die Abteilung Innenpolitik
im Präsidialamt mosert intern über die hohe Arbeitsbelastung. Zwar
freuen sich die Menschen, wenn der Bundespräsident eine Veranstaltung mit seiner Anwesenheit ehrt, in vielen Fällen nimmt jedoch kaum
jemand Notiz davon. Der Aufwand aber ist immer enorm: für die Sicherheitsbeamten, die Pressestelle und letztlich für den Bundespräsidenten selbst, der sich in zahlreichen „Kann"-Terminen aufzureiben
und den Blick für das Wesentliche zu verlieren droht.
Das Amtsverständnis des neuen Bundespräsidenten wird deshalb
innerhalb des präsidialen Apparates sehr unterschiedlich wahrgenommen: Während man Wulff in der großen Abteilung Innenpolitik distanziert begegnet, steht der neue Bundespräsident in der kleineren
Abteilung Außenpolitik hoch im Kurs, da er außenpolitischen Themen
gegenüber sehr aufgeschlossen ist und gerne auf Reisen geht. Vor allem
aber die engsten Mitarbeiter, das Persönliche Büro, schätzen die Arbeit
mit dem Präsidentenpaar. Der Bundespräsident selbst gibt sich bodenständig und geht mit seinen engsten Mitarbeitern gerne in der Kantine
des Präsidialamts essen. Wenn die Kinder im Schloss sind, spielen die Mitarbeiter des „PB" im Flur mit ihnen Ball. Bei einem Besuch der
Kanzlerin geht einmal die Tür auf, und die Kinder stürmen ins präsidiale Amtszimmer. Angela Merkel soll das amüsant gefunden haben.
Manch einer im Bellevue zieht gar Vergleiche zu den Kennedys.
„Der Islam gehört inzwischen auch
zu Deutschland"
enan Kolat gehört zu denen wenigen, die im Sommer 2012
sofort bereit sind, über Christian Wulff zu sprechen. Kolat ist
ein kleiner, quirliger Mann. Er sitzt an einem runden Tisch
in seinem Berliner Büro in den Räumen der Türkischen Gemeinde,
an seinem Türschild steht „Bundesvorsitzender". Über das Verhältnis
von Deutschen und Türken und die Sicht der Deutschen auf den
Islam zu reden, ist sein Job. Das kann er stundenlang. Die deutsche
Sprache, stellt Kolat fest, sei die einzige Sprache der Welt, die zwischen Einwanderung und Zuwanderung unterscheide. „Man kommt
dazu, aber nicht rein." Er nimmt ein Buch zur Hand, in dem Wörter
aufgelistet sind, die aus dem Arabischen kommen und seit Langem
schon zur deutschen Alltagssprache gehören, wie zum Beispiel „Alkohol", sagt er schmunzelnd. Kolat lernte Christian Wulff kennen,
als dieser noch Regierungschef in Hannover war. Sie begegneten sich
bei einem Empfang, den Kolats Verband in Hannover gab, etwa zwei Jahre, bevor Wulff Bundespräsident wird. Wulff sei das Verhältnis zu
den Migranten ganz anders angegangen als andere Ministerpräsidenten. Mit der Ernennung von Aygül Özkan zur Sozialministerin in
Niedersachsen habe er gezeigt, „dass er nicht nur redet, sondern seinen
Worten auch Taten folgen lässt", erinnert sich Kolat. „Er hat damit
ein Zeichen gesetzt."
So sei das auch gewesen, als Wulff Bundespräsident wurde. Als Wulff
Mitte Februar
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