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Der Boss

Der Boss

Titel: Der Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Netenjakob
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mein Vater das Wasser, trinkt einen Schluck und lächelt.
    »Sehe Sie, Herr Hageberger, so geht besser. Und jetzt noch eine Lammkotelett.«
    »Nein danke. Ich bin wirklich satt.«
    »Okay, ich gebe drei. Wenn ist zu viel, lassen Sie einfach liegen.«
    Jetzt häuft sie auf den Teller meines Vaters drei Lammkoteletts, vier türkische Frikadellen, ein paar Kartoffeln und jede Menge Reis. Ich habe wohlweislich ein Kotelett und zwei Frikadellen übrig gelassen. Das bedeutet in der türkischen Kultur: »Ich bin satt.« Und nicht: »Es hat mir nicht geschmeckt.« Trotzdem bin ich damit noch nicht am Ziel:
    »Daniel, was ist los? Komm, iss noch mehr!«
    »Nein danke. Vallaha, ich bin satt! Es war unglaublich lecker, ich habe noch nie so gut gegessen, aber noch ein Bissen, und ich platze, vallaha!«
    Jetzt kneift mich Frau Denizo ğ lu liebevoll in die Wange und räumt meinen Teller ab.
    »Aferin, o ğ ulum – vallaha seni ç ok seviyorum!«
Anmerkung
    »Elerine sa ğ lık Anne – ben de seni ç ok seviyorum!«
Anmerkung
    Meine Eltern reiben sich verwundert die Augen, dass ich michschon so gut in die türkische Kultur integriert habe. Unterdessen hat Herr Denizo ğ lu zwei Aspirin in Wasser aufgelöst und kippt sich das Glas auf ex in den Rachen. Meine Mutter ist besorgt:
    »Oh, haben Sie Kopfschmerzen?«
    »Nein, mein Verdauung ist letzte drei Tage nicht in Ordnung.«
    »Aber Aspirin ist ein Schmerzmittel.«
    »Ja. Aber hilft auch gegen Verdauung.«
    »Seit wann nehmen Sie es denn?«
    »Seit drei Tage.«
    »Ist es denn besser geworden?«
    »Nein.«
    »Dann hilft es also nicht.«
    »Muss man immer bisschen Geduld haben.«
    »Aber warum nehmen Sie denn kein Mittel gegen Verdauungsprobleme?«
    »Aspirin ist beste. Gibt nix Besseres.«
    »Ja, bei Kopfschmerzen. Aber nicht bei Verdauungsproblemen.«
    »Wer sagt das?«
    »Na ja, es ist doch logisch, dass …«
    »Ach, Deutsche immer kommen mit Logik. Aber zum Beispiel Mustafa hatte Hautausschlag. Dann hat er genommen Aspirin, und drei Tage später war weg.«
    Ich habe längst gelernt, dass es zwecklos ist, meiner zukünftigen türkischen Familie die Allheilkraft von Aspirin ausreden zu wollen. Genauso gut könnte man versuchen, Benedikt   XVI . vom Polytheismus zu überzeugen. Aber meine Mutter glaubt in diesem Punkt naiverweise noch an eine mögliche rationale Einsicht:
    »Aber das Verschwinden des Hautausschlags hatte garantiert nichts mit dem Aspirin zu tun.«
    »Woher wollen Sie wissen?«
    »Weil Aspirin ein Schmerzmittel ist.«
    »Ja, und?«
    »Schmerzmittel haben keine Auswirkungen auf die Haut.«
    »Aber Ausschlag war weg.«
    »Das ist kein Beweis.«
    »Wozu brauche ich Beweis? Beweis nutzen überhaupt nix. Neulich hat Trabzonspor Tor geschossen, hat Schiedsrichter nicht gegeben, aber war keine Abseits, habe ich gesehen in Fernsehen ganz eindeutige Beweis, aber diese Penner kriegt auf jeden Fall Geld von Zuhälter Fenerbah ç e.«
    »Äh, mit Verlaub, aber ich verstehe den Zusammenhang nicht.«
    »Ich auch nicht. Aber jetzt, ich bin wütend.«
    »Entschuldigung, ich wollte Sie nicht …«
    »Nein, nicht wegen Sie, wegen Penner Vollidiot Schiedsrichter.«
    »Ah. Aber um noch mal auf das Aspirin zu sprechen zu kommen …«
    Jetzt gibt Aylins Mutter meiner Mutter mimisch zu verstehen, dass sie besser nicht weiter diskutieren soll. Doch Aylins Vater ist ohnehin nicht mehr zu stoppen:
    »Und gegen Antalyaspor, Ball war eindeutig hinter die Linie. Aber gibt Schiedsrichter Tor? Nein, gibt kein Tor. Vallaha was für ein Arschloch! Ich möchte ihn einfach umbringen. Waren 30   000 Menschen da, hat jeder gesehen: Ball war in Tor, aber diese große Schwein Penner Zuhälter Arschloch ist Einzige im Stadion, der hat gar nix gesehen. Was bedeutet Beweis, hä? Was bedeutet Beweis?«
    Herr Denizo ğ lu funkelt meine Mutter wütend an, deren rationaler Diskussionsansatz weder der Emotion noch dem Themenwechsel standhalten kann. Sie schaut hilflos zu meinem Vater, in der Hoffnung auf argumentative Unterstützung, aber der schiebt gerade unter Schweißausbrüchen die letzte Frikadelle in sich rein. Ich sitze zu weit weg, um ihn aufklären zu können, dass Türken das Leeressen des Tellers nicht als höflich, sondern eher als gierig empfinden. Aber warum sollte er es auch besser haben als ich bei meinen ersten Besuchen?
    Herr Denizo ğ lu ist nun bereit, seine rhetorische Frage, die seit 45 Sekunden im Raum wabert, selbst zu beantworten:
    »Beweis bedeutet eine

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