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Der Boss

Der Boss

Titel: Der Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Netenjakob
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überlassen, ist krank . Der Kopf liegt oben. Ich bin erleichtert:
    »Tja, damit ist die Entscheidung gefallen: Seychellen. Das ist doch perfekt – oder was meinst du, Aylin?«
    »Ja, gut, perfekt.«
    »Oder hat es dich gestört, dass Hawaii nicht dabei war?«
    »Tja, eigentlich …«
    »Sag ruhig, wenn du unsicher bist.«
    »Ich weiß nicht.«
    »Also bist du unsicher.«
    »Bist du denn unsicher?«
    »Eigentlich nicht. Aber sooo sicher bin ich auch nicht.«
    »Ich sag ja, du bist unsicher.«
    »Ja, aber nur, weil du unsicher bist.«
    »Wie gesagt: Du bist der Boss.«
    »Stimmt. Hatte ich kurz vergessen. Pass auf: Ich werfe noch mal. Diesmal ist der Kopf Hawaii und die Zahl Seychellen.«
    Ich werfe die Münze erneut. Zahl. Ich bin begeistert:
    »Die Münze hat sich wieder für die Seychellen entschieden. Also, wenn das kein Zeichen ist!«
    Ich weiß, dass Aylin an Zeichen glaubt – und auch wenn ich mir da nicht ganz so sicher bin, kommt es auf jeden Fall gut an, wenn ich so tue. Bei Aylin. Nicht so bei Ünül-Tours-Kenan mit der künstlerisch wertvollen Dreitagebartschnitzerei:
    »Natürlich. Die Münze hat zwar keine Ausbildung zum Reisekaufmann. Aber wenn sie sich für die Seychellen entscheidet, dann hat sie sicher sehr gute Gründe.«
    »Was? Nein, ich wollte nicht … Natürlich vertrauen wir deiner Kompetenz, Aylin und ich. Es ist nur …«
    »Ich sage Malediven. Die Münze sagt Seychellen. Ich habe eine Ausbildung. Die Münze … ist eine Münze. Sie ist nicht mal ein Tier. Sie ist einfach nur Blech.«
    In Momenten emotionaler Erregung behandeln Türken einen Gedanken gerne sehr ausführlich. Insofern ist mir klar, dass Kenans Monolog noch nicht zu Ende ist.
    »Am besten wäre ich direkt als Münze auf die Welt gekommen, dann hätte ich nicht mal zur Schule gehen müssen. Woher weiß denn die Münze, wie es auf den Seychellen ist? Hä? Woher weiß sie das denn? War sie auf Mauritius? Nein. Sie ist nur eine Münze.«
    Das scheint mir ein perfekter Abschluss für Kenans kleine Abhandlung zum Thema »Entlarvung des Münzwurfs als Fehlerquelle bei der Entscheidungsfindung in Reiseangelegenheiten«. Kenan selbst sieht es offensichtlich anders:
    »War sie auf den Seychellen? Nein. War sie auf Hawaii? Nein. War sie auf … war sie irgendwo? Nein, sie war nur hier in Deutschland.«
    Das ist ein Elfmeter für mich – schließlich prangt auf der Münze nicht der Bundesadler, sondern der Kopf von König Juan Carlos I .
    »Und in Spanien.«
    Kenan schaut sich die Münze an und pfeffert sie dann wütend in die Ecke. Aylin und ich tauschen Blicke aus und müssen erneut ein Lachen unterdrücken. Aber Selbstironie scheint nicht direkt zu Kenans Stärken zu zählen – was er durch einen finsteren »Wenn-du-jetzt-lachst-gibt’s-einen-auf-die-Fresse«-Blick unterstreicht. Und eine körperliche Auseinandersetzung wäre insofern problematisch, als ich mindestens drei Jahre intensives Krafttraining brauchte, um ansatzweise Kenans Muskelmasse aufzubauen.
    Also schaue ich Kenan lieber mit dem demütigen Bitte-hab-mich-wieder-lieb-Grinsen an, das ich vom gestiefelten Kater aus Shrek 2 geklaut habe. Jetzt muss Kenan ein Lachen unterdrücken. Perfekt. Seine Wut ist so schnell verschwunden, wie sie gekommen war.
    »Also, was soll ich für euch buchen?«
    Ich bin in einem Dilemma. Wenn ich mich für die Seychellen entscheide, gebe ich der Münze recht und Kenan ist beleidigt. Wähle ich aber die Malediven, gebe ich Kenan recht. Und das will ich nicht, weil … weil … er Aylin zum wiederholten Mal mit dem »Was-macht-eine-Traumfrau-wie-du-eigentlich-mit-so-einem-Durchschnittstyp«-Blick anschaut.
    Diesen Blick kenne ich, und er macht mir Angst. Es gibt kaum einen Mann, der nicht auf Aylin abfährt. Es ist, als wäre meine große Liebe ständig in Gefahr. Als hätte Aylin die Weltformel auf den Rücken tätowiert und würde nackt durch ein Atomphysiker-Symposium spazieren.
    Ich habe die ganze Zeit diese latente Anspannung in der Magengegend, und dieses Gefühl hat sich verstärkt, seit Tante Emine ein Problem für unsere Hochzeit im Kaffeesatz gesehen hat. Wir waren bei ihr zum Essen eingeladen, und ich hatte mal wieder eine Menge Fleisch zu mir genommen, mit der der Kölner Zoo seinen gesamten Raubtierbestand durch den Winter gebracht hätte, als Emine einen besorgten Blick auf das Muster des Mokkasatzes in meiner Tasse warf:
    »Ich sehe Schwierigkeiten für Hochzeit. Kommt nicht von Beziehung. Kommt von außen.«
    Ich

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