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Der Boss

Der Boss

Titel: Der Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Netenjakob
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verstanden, Erika.«
    »Vielleicht sagst du nur einmal kurz Palim Palim. «
    »Das war nicht Otto Waalkes, sondern Dieter Hallervorden.«
    »Stimmt, den kannst du ja auch!«
    Ich seufze. Plötzlich und unerwartet kommt mir Dimiter Zilnik zu Hilfe:
    »Erika, was soll das? Imitieren ist ein Handwerk, keine Kunst. Der Junge muss seinen eigenen Ausdruck finden.«
    Wenn er mit eigenem Ausdruck die Karriere von Bernd Banane meint, hat er auf jeden Fall recht. Bei meinem Vater, der in Gedanken war und seinen Mai Thai schon ausgetrunken hat, scheint ein Groschen gefallen zu sein:
    »Du hast recht, Dimiter! Es könnte tatsächlich eine Metapher sein. Der Säbelzahntiger zum Beispiel …«
    Ingeborg Trutz, die schon die ganze Zeit feuchte Augen hatte, bricht jetzt in Tränen aus:
    »Das ist so traurig, dass diese stolzen Tiere ausgestorben sind. Als meine Katze Lysistrata mit 13 Jahren so schwach wurde, dass sie nicht mehr auf ihren Kratzbaum klettern konnte … O Gott, Lysistrata …«
    Die coolen jugendlichen Gäste schauen Ingeborg Trutz, die nun hemmungslos schluchzt, irritiert an, während der Cocktailkellner darüber nachdenkt, wie er uns am besten hinauskomplimentiert. Eigentlich wäre Ingeborg Trutz der optimale Besuch für die kranke Tante Emine – von ihrer emotionalen Intensität wären sogar die Türken beeindruckt. Mein Vater räuspert sich erneut:
    »Um auf den Film zurückzukommen: Du hast vielleicht recht, Dimiter, dass er doch tiefgründiger ist, als es zunächst den Anschein hat.«
    Dimiter Zilnik mag es überhaupt nicht, wenn jemand ihm recht gibt – schließlich steht er dann nicht mehr allein mit seiner Meinung, ist also nichts Besonderes mehr:
    »Eigentlich fand ich den Film albern.«
    »Und die Metapher?«
    »Ich bezweifle, dass die Filmemacher überhaupt vom Balkan-Konflikt wissen.«
    Derweil hat Ingeborg Trutz das Drama ihrer Katze noch nicht zu Ende verarbeitet:
    »Ich habe ihr jeden Morgen drei Brekkies oben auf den Kratzbaum gelegt. Und wenn ich wiederkam, waren sie weg. Aber an diesem Abend …«
    Sie wimmert und schnäuzt in ein Taschentuch. Dimiter Zilnik schaut sie mit einem leidenden Schauspieler-sind-eine-hirnlose-Masse-die-man-kneten-muss-Blick an:
    »Herrgott, sie lag auf dem Sofa.«
    »Ja, aber ich dachte, sie war tot.«
    »Ingeborg, das ist drei Jahre her und sie lebt noch. Lysistrata kommt nur deshalb nicht mehr auf den Kratzbaum, weil du sie so gemästet hast, dass sie vor lauter Fett nicht mehr klettern kann.«
    Ingeborg Trutz hält kurz inne. Dann schaut sie in namenlose Fernen und haucht:
    »Trotzdem. Irgendwann … wird sie sterben.«
    Ingeborg Trutz kämpft tapfer gegen ihre Tränen. Plötzlich funkeln Dimiter Zilniks Augen:
    »Das ist es! Halt das! Genau dieses Gefühl habe ich gemeint!«
    »Welches Gefühl?«
    »Julias Erschrecken, als ihr bewusst wird, dass Romeo zehntausend Kroaten brutal abgeschlachtet hat.«
    Während Mark mitleidig seufzt und Tanja unwillkürlich zum Notausgangsschild rüberschielt, schauen meine Mutter und Aylin mich liebevoll lächelnd an. Ich ahne Schlimmes. Dann sagt Aylin einen folgenschweren Satz:
    »Das war ein unheimlich toller Abend! Das müssen wir jetzt öfter machen.«
    Ich gebe meiner Gesichtsmuskulatur den Auftrag, ein Lächeln darzustellen. Sie verweigert mir den Gehorsam. Mir wird klar: Aylin und ich – wir müssen reden.

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33
    11   000 Jahre und zwei Stunden nach
der Präborealzeit.
    Als wir wieder das Cinedom – Parkhaus betreten und uns dem Ford Focus nähern, erinnere ich mich: Ich habe auf einem Frauenparkplatz geparkt. Noch vor ein paar Tagen hätte ich deshalb das Gefühl gehabt, ich müsste zur Wiedergutmachung dieser Schande mindestens ein Jahr lang die Emma – Redaktion putzen. Aber jetzt verspüre ich sogar Lust, mir eine Zigarette anzuzünden, nur weil an der Wand ein Rauchverbotsschild hängt. Lediglich zwei Dinge halten mich davon ab: Erstens bin ich Nichtraucher, und zweitens habe ich keine Zigaretten dabei.
    Während wir aus dem Parkhaus fahren, überlege ich, wie ich Aylin die goldene Regel der strikten Eltern-Freunde-Trennung schonend beibringen kann. Sie scheint meine Gedanken zu erraten:
    »Worüber grübelst du nach?«
    »Na ja …«
    »Was?«
    »Also, es ist so … Nein, es ist spät. Lass uns morgen reden.«
    »Daniel, ich will wissen, was los ist.«
    »Du darfst das jetzt nicht falsch verstehen … Aber … also …«
    »Na los, spuck die dicke Bohne aus dem Mund!«
    »Türkische

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