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Der Boss

Der Boss

Titel: Der Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Netenjakob
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irgendwas von uns will. Ich hebe das Kissen hoch.
    Das Display blinkt weiter.
    Das Display blinkt weiter.
    Das Display blinkt weiter.
    Diese Penetranz! Onkel Abdullah hat nicht das geringste Gespür dafür, was hier los ist. Aber nicht mit mir! Ich werde jetzt mein Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit wahrnehmen und den Anruf ignorieren.
    Das Display blinkt weiter.
    Das Display blinkt weiter.
    Ich schalte das iPhone aus.
    Jaaaaaaa, ich hab’s geschafft!!! Wir sind freie Menschen!!! Ich habe uns von den Geißeln der modernen Informationsgesellschaft befreit.
    Ich höre, wie Aylin das Wasser abdreht und aus der Dusche steigt. Ich lege mich in Position und versuche, irgendwie locker, aber doch auf männliche Art verführerisch auszusehen. Was gar nicht so leicht ist.
    Aylin summt im Bad vor sich hin. Mein Blick bleibt an ihrem iPhone haften. Es wirkt irgendwie tot, wenn es abgeschaltet ist … Manchmal schaffe ich es, sogar Gegenständen gegenüber ein schlechtes Gewissen zu entwickeln. Als mein letzter Staubsauger kaputtging, habe ich ihn am Abend zu einem großen Haufen Sperrmüll an den Straßenrand gestellt und bin dann mitten in der Nacht mit dem Gefühl aufgewacht, dass er bestimmt traurigist und mich als undankbar empfindet – nach allem, was er für mich getan hat. Ich bin dann zum Fenster gegangen, und als ich ihn so alleine neben einer alten Matratze stehen sah, bekam ich dasselbe Mitleid wie damals mit »E.   T., dem Außerirdischen«, als der von seinen Mit-Aliens einfach auf der Erde vergessen wurde. Die Nacht führt manchmal zu eigenartigen Bewusstseinszuständen. Und, auch wenn mir das inzwischen peinlich ist: Als ich um halb sieben vom Lärm des Sperrmüllwagens geweckt wurde, habe ich meinem Staubsauger zum Abschied zugewinkt. Das darf meine türkische Familie niemals erfahren!
    Jetzt bring deine Gedanken unter Kontrolle, Daniel! Die schönste Frau der Welt wird gleich nackt vor dir stehen, und dann … Aber was ist, wenn Onkel Abdullah doch noch zurückkommt? Um 23 Uhr 27 fährt ein Intercity aus Düsseldorf ab, der um 23 Uhr 49 in Köln ankommt. Wenn Onkel Abdullah dann ein Taxi genommen hätte, wäre er schon hier. Aber wenn er in die Straßenbahn gestiegen ist … Hör auf, Daniel! Morgen sagst du Aylin, dass Abdullah angerufen hat, und alles ist gut.
    Lebe im Hier und Jetzt. Und da gibt es nur dich und Aylin. Und sonst nichts. Lebe im Hier und Jetzt. Das ist der Schlüssel zum Glück.
    Ich hätte Onkel Abdullah nicht den Schlüssel geben sollen. Dann müsste er klingeln und wir wären gewarnt … Vielleicht sollte ich ihn zurückrufen und fragen, ob er noch in Düsseldorf ist? Herrgott, Daniel, entspann dich!
    Die Badezimmertür öffnet sich. Mit nassen Haaren sieht Aylin noch verführerischer aus. Sie schickt mir einen heißen Blick, der mir sofort unter die Haut geht. Leider hat sie sich mein 1.   FC -Köln-Badehandtuch um den Körper gewickelt, sodass jetzt zwei Gedanken gleichzeitig in meinem Kopf auftauchen:
Ich begehre Aylin so sehr wie keine Frau jemals zuvor.
Wird der 1.   FC Köln am Samstag in Frankfurt wohl mit 4-4-2- oder 4-5-1-System antreten?
    Dann kommt es in nur zwei Sekunden zu folgender Gedankenkette: 1.   FC Köln – Geißbock – kölsch wie der Geißbock – Süffels Kölsch – Jupp Süffels – Schnurrbart – Onkel Abdullah.
    Aylin schaut mich irritiert an:
    »Alles in Ordnung, Daniel?«
    »’tschuldigung, war kurz abwesend.«
    »Was ist denn?«
    »Nichts.«
    Aylin legt sich zu mir und nimmt ein Glas Rotwein, wobei sich das Handtuch öffnet und herunterrutscht. Wir stoßen an, trinken und schauen uns tief in die Augen. Es läuft perfekt. Sieht man von der Tatsache ab, dass ich immer noch ein schlechtes Gewissen habe:
    »Du bist doch nicht böse, wenn ich dein iPhone abgeschaltet habe, oder?«
    Aylin schaut mich überrascht an.
    »Du hast mein iPhone abgeschaltet?«
    »Ja.«
    »Okay.«
    »Okay?«
    »Ja, okay. Ich meine, es ist ja nicht verboten, sein iPhone auszuschalten.«
    »Exakt. Genau das hab ich auch gedacht.«
    Jetzt geht es mir besser. Ich knabbere an Aylins Schulter und spüre, wie Aylin sich verkrampft. Mir wird klar: Ich habe einen Fehler gemacht. Aylin grübelt:
    »Ich meine, es ist nach Mitternacht – da ruft keiner mehr an.«
    »Genau.«
    »Also jedenfalls wahrscheinlich nicht.«
    »Exakt.«
    »Es sei denn, es wäre ein Notfall.«
    »Genau.«
    »Dann können wir’s ja auch eigentlich anlassen, Daniel.«
    »Wieso?«
    »Na, weil ja

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