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Der Boss

Der Boss

Titel: Der Boss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Moritz Netenjakob
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Schwager! Koyun copluyor mu?«
    »Was? Ich verstehe nicht …«
    »Ist ein Witz. Heißt so viel wie ›schlägt dich dein Schaf?‹«
    »Ob mich mein Schaf schlägt?«
    »Genau.«
    »Hat das was mit Farmville zu tun?«
    »Nein, das ist ein Wortspiel. Ich merke gerade, auf Deutsch funktioniert das nicht.«
    »Na ja, egal.«
    »Weißt du, auf Türkisch hat das eine sexuelle Doppeldeutigkeit.«
    »Ah.«
    »›Koyun‹ heißt ›dein Schaf‹. Aber ›koyunca‹ bedeutet: ›wenn du stößt‹.«
    »Verstehe. Ich bin sicher, für Türken ist das ein Brüller.«
    »Und das andere Wort … aber das ist zu kompliziert jetzt. Warum hast du angerufen?«
    »Tja, also … Ich habe gerade gehört, du heiratest eine Frau.«
    »Ja, habe ich dir doch gesagt.«
    »Ich dachte, du willst Chrístos heiraten.«
    Lautes Lachen am anderen Ende der Leitung.
    »Du hast echt Humor, Schwager.«
    »Aber … du hast doch gesagt, du willst mit dem Lügen aufhören.«
    »Genau. Deshalb werde ich jetzt heterosexuell. Dann muss ich nicht mehr lügen.«
    »Aber du kannst nicht einfach sagen: Jetzt bin ich heterosexuell. Das funktioniert doch nicht.«
    »Wieso? Wenn ich eine Frau heirate, heißt das: Ich bin hetero.«
    »Und was wird aus Chrístos?«
    »Der findet’s okay.«
    »Echt?«
    »Klar. Schließlich ist er auch verheiratet.«
    »Was? Das war keine Lüge?«
    »Nein.«
    Mir wird langsam schwindelig. Ich muss mich gegen die Glastür lehnen. Eben hatten die Denizo ğ lus einen Kulturschock, jetzt habe ich einen. Cem redet so, als handle es sich um die größte Selbstverständlichkeit der Welt:
    »Weißt du, meine Beziehung mit Chrístos läuft ganz normal weiter, das hat eigentlich keinen Einfluss da drauf.«
    »Aber was wird Fatma dazu sagen?«
    »Die weiß Bescheid. Schließlich ist sie lesbisch.«
    »Ah.«
    »Aber Kinder wollen wir schon – ein oder zwei.«
    »Das ist … toll. Ich äh, also … dann … äh … wir sehen uns!«
    Ich lege auf. Ich bin verwirrt. Plötzlich erscheint mir die türkische Kultur unglaublich fremd. Durch die Scheibe sehe ich, dass Aylin inzwischen bei ihren Eltern ist. Ich gehe wieder rein und ziehe sie zur Seite:
    »Du, Aylin, mir ist gerade nicht so wohl. Liegt sicher an der Dimiter-Zilnik-Inszenierung, haha. Du, ich gehe nach Hause, okay? Wir sehen uns dann morgen früh am Standesamt.«
    Aylin nickt leicht enttäuscht, und wir küssen uns zum Abschied.
    »Ach, Daniel, eins hab ich noch vergessen: Hast du gehört, dass Cem um Fatmas Hand angehalten hat?«
    »Ja.«
    »Ist das nicht phantastisch?«
    »Na ja. ›Phantastisch‹ wäre jetzt nicht das erste Attribut, das mir in diesem Kontext in den Sinn käme.«
    »Auf jeden Fall: Ich habe mir etwas überlegt. Es wäre doch eine tolle Überraschung, wenn wir Cems Verlobung mit Fatma auf unserer Hochzeitsfeier bekannt geben.«
    »Ich weiß nicht …«
    »Oder noch besser: Du gibst sie bekannt. O ja, das wäre perfekt. Die Familie wird dich dafür lieben!«
    Mir wird schwindelig. Aylin strahlt mich an. Das sollte mich glücklich machen. Tut es aber nicht.
    »Aylin, das … ich kann das nicht.«
    »Was? Warum nicht?«
    »Cem und Fatma … Das ist eine Lüge.«
    »Nein, sie wollen wirklich heiraten.«
    »Aber Cem liebt Chrístos.«
    »Er wird auch Fatma lieben. Das braucht nur ein bisschen Zeit. Also, du machst das, ja? Mach es für mich.«
    Aylin setzt ihren Schmollmund ein. Aber diesmal funktioniert er nicht.
    »Tut mir leid, das ist zu viel … Weißt du, ich war tagelang bei deiner kranken Tante. Ich habe versucht, deine hysterischen Verwandten zu beruhigen, ich habe deinen schnarchenden Onkel in meiner Wohnung und deine Cousins und Cousinen auf meiner Arbeit. Ich habe auf einem Frauenparkplatz geparkt, ich habe mich als Moslem und Kriegsheld ausgegeben. Das war alles okay. Aber …«
    »Aber was?!«
    Mein Kopf dreht sich. Dann wird plötzlich alles klar.
    »… Ich habe das Gefühl, diese Hochzeit … das alles hat nichts mit mir zu tun. Das bin ich nicht. Ich wollte dir ein Liebesgedicht schreiben, das dich zu Tränen rührt. Stattdessen versuche ich zu verhindern, dass bei unserer Hochzeit der dritte Weltkrieg ausbricht. Ich wollte eine romantische Atmosphäre an einem ganz besonderen Ort und keine Neonröhren in Leverkusen. Ich wollte unsere Liebe nur mit Menschen teilen, die miretwas bedeuten, und nicht mit 1000 Leuten, von denen ich über 900 nicht kenne.«
    Aylin schaut mich erschrocken an. Ich will mich stoppen. Ich schaffe es nicht.
    »Aber

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