Der Bourne Befehl
dem Ziel ihrer Suche. Sie riss sich zusammen, schob die Trauer und Verzweiflung der vergangenen Nacht beiseite und zog aus ihrem Zorn neue Kraft, um sich auf ihre Aufgabe konzentrieren zu können.
Sie betrat den großen, offenen Raum mit seinen Stehpulten und Kassenschaltern sowie einer Reihe abgetrennter Schreibtische, an denen Angestellte sich der Kunden annahmen oder Papierkram erledigten. Ganz hinten wurde die Halle von einer hohen, holzgetäfelten Wand begrenzt, an der mehrere digitale Uhren die Zeit in Paris, New York, London und Moskau anzeigten. Zu beiden Seiten führten Treppen zu den Büros im ersten Stock, wo die höherrangigen Angestellten ihrer Arbeit nachgingen. Dorthin musste Soraya.
Sie stellte sich am Informationsschalter vor, und die Angestellte griff zum Telefon, um sie anzukündigen. Wenige Augenblicke später erschien ein Sicherheitsbeamter, der sie durch den Raum geleitete. An der hinteren Wand drückte er auf einen Knopf, worauf sich eine Tür in der Holztäfelung öffnete, und Soraya betrat einen luxuriös ausgestatteten Fahrstuhl. Der Sicherheitsmann begleitete sie in den ersten Stock und führte sie durch einen gedämpft beleuchteten Gang. Aus den offenen Türen zu beiden Seiten hörte man das leise Tap-tap-tap von Fingernägeln auf Computertastaturen.
Verabredet war sie mit Monsieur Sigismond, einem groß gewachsenen, schlanken, aber kräftig wirkenden Mann mit hellbraunem Haar, der sofort hinter seinem Schreibtisch aufsprang, um sie zu begrüßen. »Es freut mich sehr, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mademoiselle Gobelins«, sagte er in einem etwas steif klingenden Französisch und streckte ihr die Hand entgegen. Er hielt ihre Hand an den Fingerspitzen, hauchte einen Kuss auf den Handrücken und zeigte auf ein bequemes Sofa zu ihrer Rechten. »Bitte, nehmen Sie Platz.«
Er setzte sich neben sie. »Sie haben also vor, die Nymphenburger Privatbank mit Ihren Bankgeschäften zu betrauen.«
»Das ist richtig«, antwortete Soraya. Ihr fielen Monsieur Sigismonds braune Augen auf, die er getönten Kontaktlinsen zu verdanken schien. »Ich habe eine größere Erbschaft gemacht, und Ihr Vermögensmanagement wurde mir als bestes in ganz Westeuropa empfohlen.«
Monsieur Sigismond sah sie mit einem strahlenden Lächeln an. »Ist es nicht erfreulich, wenn sich die harte Arbeit schließlich lohnt?«
»Da haben Sie recht.«
»Und Sie wünschen was genau?«
»Zuerst einmal ein Konto. Ich möchte einen größeren Betrag anlegen, und dabei wird es nicht bleiben. Aber dazu brauche ich die richtige Anlageberatung.«
»Selbstverständlich. Großartig!« Monsieur Sigismond klatschte sich auf die Schenkel. »Aber bevor wir weitersprechen, möchte ich Ihnen noch den Herrn vorstellen, der hinter dem großen Erfolg unseres Vermögensmanagements steht.« Er erhob sich und öffnete eine Tür, die Soraya gar nicht bemerkt hatte. Ein Mann trat ein, der eindeutig aus dem Nahen oder Mittleren Osten stammte. Er sah gut aus, doch er strahlte etwas Dunkles aus, dem man sich schwer entziehen konnte.
»Ah, Mademoiselle Gobelins, es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen«, sagte er und schritt auf sie zu. »Ich bin Benjamin El-Arian.«
Als sie sich Don Fernandos Haus näherten, blieb Bourne plötzlich stehen.
»Was ist?«, fragte Don Fernando.
»Ich weiß nicht.« Bourne zog seinen Begleiter in den Schatten einer Palme. »Da stimmt etwas nicht. Bleib hier.«
»Nein«, erwiderte Don Fernando und zog seinen Colt Python. »Keine Sorge, ich werde dich nicht behindern.«
Bourne wollte sich auf keine Diskussion einlassen. Zusammen schlichen die beiden Männer von einem Schatten zum nächsten, bis sie direkt gegenüber dem Haus waren. Dort warteten sie erst einmal ab, bis Bourne hinter einem der beleuchteten Fenster einen Schatten vorbeihuschen sah. Die Gestalt war größer als Kaja. Er zeigte auf das Fenster, und Don Fernando nickte. Er hatte den Schatten ebenfalls gesehen und wusste, was das bedeutete.
Bourne wandte sich dem älteren Mann zu. »Ich steige durch dasselbe Fenster wie Etana vorhin, aber ich brauche ein Ablenkungsmanöver.«
»Überlass das mir«, antwortete Don Fernando.
»Warte drei Minuten, dann bin ich beim Fenster.«
Er huschte lautlos von einem Schatten zum nächsten und näherte sich dem Haus über einen Umweg. Zwischen der Straße und den Palmen vor dem Haus hätte er keine Deckung gefunden, deshalb schlich er auf die andere Seite. Das Nachbarhaus stand ganz nahe, und Bourne sah die Telefon-
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