Der Bourne Befehl
nicht einmal«, erwiderte er geringschätzig. »Ich fürchte mich nicht vor dem Tod.« Er rieb seine Wange an Sorayas Haar. »Das kann man von Ihrer Agentin nicht sagen.«
»Sie ist nicht unsere Agentin«, sagte Aaron.
»Ich hör mir Ihre Lügen nicht länger an.« El-Arian zog Soraya die Treppe hinunter. »Ich gehe jetzt mit ihr hinaus. Mehr gibt es nicht zu sagen.«
Als er die letzten Stufen hinunterstieg, wies Robbinet die Sicherheitsleute an, zurückzutreten. El-Arian lächelte. Aaron schaute Soraya in die Augen. Was will er mir sagen? , fragte sie sich.
El-Arian hatte seinen Blick offenbar auch bemerkt. »Wenn Sie mich töten, ist sie auch tot«, drohte er. »Und dafür sind dann Sie verantwortlich. Sind Sie ein Spieler? Wollen Sie es riskieren?«
Während El-Arian sprach, ging er weiter Richtung Tür. Seine Schritte hallten zusammen mit ihren durch den großen, leeren Raum, der ihr wie eine Arena erschien, in der ihr Leben vielleicht zu Ende ging. Soraya wusste, dass ihr Aaron irgendein Signal gegeben hatte. Wäre ihr Kopf klar und wären die Schmerzen nicht ganz so schlimm gewesen, hätte sie verstanden, was er von ihr wollte. Sie wusste nur, dass er handeln wollte. An seiner Stelle hätte sie es jedenfalls getan.
Sie waren schon fast bei der Tür, Aaron und Robbinet verfolgten jeden ihrer Schritte. Sie fühlte sich hilflos, wie das arme weibliche Opfer in irgendeinem Actionfilm, und das machte sie so wütend, dass sie den Schmerz in einen dunklen Winkel verdrängte, während sie zu erkennen versuchte …
Natürlich! Aaron wollte den tödlichen Schuss anbringen. Und zwar genau in dem Moment, wenn El-Arian die Tür erreichte. Sie sah, wie Aaron langsam in Position ging, ungefähr in einem Fünfundvierzig-Grad-Winkel zu El-Arians rechter Schulter. Das war der verwundbare Punkt: der Kopfschuss.
Doch sie hatte El-Arians Augen gesehen; er war auf alles vorbereitet. Er würde zuerst instinktiv auf Aaron schießen, dann erst auf sie. Das war der Reflex eines jeden Soldaten: auf den Angreifer zu feuern. Vielleicht würde er auch sie noch töten, bevor er getroffen wurde, doch auf jeden Fall war Aaron in großer Gefahr. Ein Mann, der ihr etwas bedeutet hatte, war bereits durch ihre Schuld gestorben – sie würde nicht zulassen, dass noch einer ihretwegen sein Leben verlor.
Diese Entscheidung drängte die Schmerzen in ihrem Kopf noch weiter zurück, sie spürte das Adrenalin in ihren Adern pulsieren, vom festen Vorsatz durchdrungen, diese letzte Aufgabe gut zu bewältigen, sodass ihr Tod nicht sinnlos sein würde. So wie El-Arian hatte auch sie keine Angst, zu sterben. Sie hatte den Tod als etwas Unausweichliches akzeptiert, als sie sich für diese Arbeit entschieden hatte. Doch sie war keine Märtyrerin; sie liebte das Leben und empfand eine gewisse Traurigkeit, als sie und El-Arian die Tür erreichten und Aaron die Pistole hochriss. Im selben Augenblick ließ sie den Hinterkopf zurückschnellen und rammte El-Arian den Ellbogen in die Niere.
Sie hörte Aaron rufen, dann brach ein gewaltiger Gewittersturm los, der sie zur Seite schleuderte. Sie hatte den Geschmack von Blut im Mund, als sie stürzte, die Schmerzen im Kopf verschwanden.
Dann war nichts mehr, nur noch absolute Stille.
Bourne sah Damaskus vor sich, als er mit dem Taxi vom Flughafen in die Stadt fuhr. Die Morgensonne schien auf die Motorhaube des Autos, als sie durch die holprigen Straßen rollten. Er stieg einige Blocks vor seiner Zieladresse in der Avenue Choukry Kouatly aus und ging den Rest des Weges zu Fuß, im Strom der Fußgänger verborgen. Um sich einen Überblick über das moderne Firmengebäude von El-Gabal zu verschaffen, umkreiste er es und sah drei bewachte Eingänge. Beim Haupteingang schienen keine Wächter postiert zu sein, doch nach einer Weile zeigte sich, dass im Abstand von genau drei Minuten zwei uniformierte Sicherheitsleute an den Glastüren vorbeischritten. An der Westseite des Gebäudes gab es einen Notausgang mit einer soliden Metalltür, die unüberwindlich wirkte, doch Bourne wusste, dass keine Tür unüberwindlich war. Hinter dem Haus war ein Ladebereich angelegt, wo im Moment niemand zu sehen war. Dahinter gab es vier breite Tore, im Moment alle geschlossen. Ein uniformierter Wächter saß rauchend davor und telefonierte mit seinem Handy. Gelegentlich blickte er mit zusammengekniffenen Augen auf die Straße hinaus, nach irgendetwas Verdächtigem Ausschau haltend. Im Gegensatz zu den Sicherheitsleuten in der Lobby,
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