Der Bourne Befehl
Lächeln.
Soraya wunderte sich über sich selbst. Flirtete sie etwa mit ihm?
Als sie sich dem Zentrum von Paris näherten, spürte Soraya die angenehme Wärme der Stadt. Es kam ihr vor, als würden ihr die vertrauten Straßen zulächeln.
Soraya riss ihren Blick von den alten Häusern mit ihren Mansardendächern los und wandte sich wieder der Akte zu. Die Leiche zeigte keine anderen Spuren außer jenen von dem Auto, das den Mann überfahren hatte. Sein Blutbild wurde zwar noch analysiert, aber die ersten Untersuchungen hatten ergeben, dass der Tote weder Alkohol noch sonst irgendwie ungewöhnliche Substanzen im Blut hatte.
Sie zeigte auf einen kleinen, annähernd rechteckigen Fleck in der rechten unteren Ecke eines Bildes vom Tatort. »Was ist das?«, fragte sie.
»Ein Handy«, erläuterte Aaron. »Wir glauben, dass es dem Toten gehört hat, aber es ist zu stark beschädigt, um etwas damit anfangen zu können.«
»Was ist mit der SIM-Karte?«
»Auch ziemlich zerknittert«, antwortete Aaron, »aber ich habe sie unserem besten IT-Techniker gebracht. Er arbeitet daran, die Informationen herauszuholen.«
Soraya überlegte einen Augenblick. »Kleine Planänderung. Bringen Sie mich zu dem Techniker, dann würde ich gern den Tatort sehen.«
Aaron zog sein Handy heraus, tippte eine Nummer ein und sprach ein paar Sekunden. »Der Techniker braucht noch etwas Zeit«, sagte er und klappte sein Handy zu.
»Hat er schon etwas gefunden?«
»Das will er noch nicht sagen, aber ich kenne den Mann – am besten geben wir ihm die Zeit, die er braucht.«
»Gut.« Soraya nickte widerstrebend. »Dann fahren wir zum Tatort.«
»Wie Sie wünschen, Mademoiselle.«
Sie verzog das Gesicht. »Nennen Sie mich Soraya. Bitte.«
»Nur wenn Sie mich Aaron nennen.«
»Abgemacht.«
»Documentos de identidad, por favor.«
Bourne reichte dem bewaffneten Soldaten seinen Pass. Der Mann sah Bourne mit festem Blick an, während er den Reisepass aufklappte. Das war schon die zweite Straßensperre, auf die Bourne traf. Die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens waren in den vergangenen sechs Monaten besonders aktiv gewesen, sehr zum Ärger des kolumbianischen Präsidenten. Und dazu war noch der Überfall auf das Gefängnis La Modelo gekommen, bei dem Roberto Corellos entflohen war. Als Reaktion hatte El Presidente begonnen, seine militärischen Muskeln spielen zu lassen. Bourne war sicher, dass die Soldaten jeden FARC-Rebellen exekutieren würden, der ihnen über den Weg lief.
Der Mann gab ihm seinen Pass zurück und winkte ihn wortlos weiter. Bourne fuhr los und reihte sich hinter einer Karawane von Sattelschleppern ein. Er war schon einige Stunden unterwegs und befand sich mittlerweile hoch in den Bergen.
Ibagué lag an der Straße, die von Bogotá nach Cali und weiter zur Pazifikküste führte. Die Stadt lag auf einer Hochebene etwa 1100 Meter über dem Meeresspiegel, an den östlichen Ausläufern der Cordillera Central, die zu den Anden gehörte.
Die Straße wand sich in gefährlichen Spitzkehren an Abhängen entlang, von denen es teilweise über hundert Meter in die Tiefe ging. Unterhalb der Straße erstreckte sich dichter Nadelwald, in dem Bourne da und dort die verkohlten Spuren von Blitzeinschlägen sah. Der Himmel war ein einziges riesiges Kaleidoskop aus schnell dahinziehenden Wolkenformationen und strahlendem Sonnenschein. Die Höhenlage und die Sonne sorgten für einen erstaunlich klaren Ausblick. Über ihm zogen Kondore wie schwarze Kreuze ihre Kreise.
Nach Jalal Essais Beschreibung musste er bald den neuen Tunnel von La Línea erreichen, den nunmehr längsten Tunnel Lateinamerikas, der die mit Lkws verstopfte Straße nach Buenaventura entlasten sollte. Der Tunnel war auf der Karte, die er neben sich auf dem Beifahrersitz ausgebreitet hatte, noch nicht eingezeichnet. Essai hatte ihn gewarnt, dass er hier keinen Handyempfang haben würde, und sein Satellitentelefon hatte keine GPS-Funktion.
Er steckte mitten im dichten Verkehr; die Karawane der schweren Lastwagen wand sich um eine Biegung am Berghang entlang. Und dann tauchte vorn die Mündung des Tunnels auf, ein schwarzes Loch, in dem die Karawane verschwand.
Bourne fuhr in den Tunnel ein, eine lange, glatte Röhre mitten durch den Berg. Erhellt wurde sie von zwei Ketten von Argonlampen, deren kaltes bläuliches Licht von den Motorhauben der entgegenkommenden Fahrzeuge reflektiert wurde.
Wie in einem Tunnel üblich, ging es nun etwas langsamer voran, doch mit
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