Der Bourne Verrat: Roman (German Edition)
Chalthoum, dem Chef des ägyptischen Geheimdienstes, fragen wollte, der während ihrer Mission in Paris getötet worden war. Sie sah ihn warnend an, und er verkniff sich die Frage.
Der große dünne Mann trat aus seiner Arbeitsnische und hielt ihr die Hand hin. Er stellte sich als Dick Richards vor. Absurder Name, dachte Soraya.
»Schön, dass Sie wieder da sind«, sagte er freundlich.
Sie sah ihn fragend an. »Sie kennen mich doch gar nicht.«
»Ich habe viel von Ihnen gehört, seit ich hier bin, vor allem von Direktor Marks.« Er lächelte. »Wenn Sie möchten, würde ich Ihnen gern das Material zeigen, an dem ich arbeite.«
Sie setzte ein Lächeln auf, bis er ihnen schließlich zunickte und zurück an seinen Arbeitsplatz ging. Soraya wandte sich Peter zu. »Dick Richards? Heißt er wirklich so?«
»Klingt komisch, aber sein Name ist tatsächlich Richard Richards.«
»Was hat sich Hendricks dabei gedacht?«
»Richards ist nicht auf Hendricks’ Mist gewachsen. Der Präsident hat ihn uns geschickt.«
Soraya blickte zu Richards hinüber, der schon wieder an seinem Computer saß. »Dann haben wir wohl einen Spion im Haus?«
»Mag sein«, meinte Peter. »Immerhin scheint er eine Kanone im Aufspüren und Eliminieren von Spionagesoftware zu sein.«
Ihre Bemerkung war eigentlich als Scherz gemeint, doch Peters Antwort war durchaus ernst. »Heißt das, der Präsident vertraut Hendricks nicht mehr?«
»Nach allem, was passiert ist«, flüsterte Peter ihr ins Ohr, »sind wir dem Präsidenten anscheinend suspekt.«
Nach und nach überwanden Soraya und Peter das Trauma, das ihnen vor vier Monaten unabhängig voneinander widerfahren war. Es dauerte lange, bis sie imstande war, über Amun zu sprechen. Peter zeigte wie immer eine unendliche Geduld mit ihr; er wusste, sie würde ihm alles erzählen, wenn sie so weit war.
Sie hatten soeben einen Anruf von Hendricks erhalten, der in einer Stunde ein Briefing abhalten wollte. Ohne ein Wort zu sagen, griffen beide nach ihrer Jacke, um die Zeit bis dahin zu nutzen.
»Einsatzbesprechung in vierzig Minuten«, sagte die pummelige Blondine namens Tricia zu Peter, als sie zur Tür gingen. Peter brummte etwas, mit den Gedanken schon woanders.
Sie verließen das Gebäude, überquerten die Straße, besorgten sich Kaffee und Zimtschnecken und schlenderten in den Park mit seinen kahlen Bäumen, stets mit dem Rücken zum Treadstone-Gebäude.
»Das Schlimme ist«, begann sie, »dass Richards ein schlauer Bursche ist. Wir könnten ihn ganz gut gebrauchen.«
»Wenn wir ihm trauen könnten.«
Soraya nahm einen Schluck Kaffee, um sich innerlich aufzuwärmen. »Wir könnten versuchen, ihn auf unsere Seite zu ziehen.«
»Dann würden wir uns gegen den Präsidenten stellen.«
Sie zuckte die Achseln. »Ist das was Neues?«
Er lachte und nahm sie in die Arme. »Ich hab dich vermisst.«
Sie runzelte die Stirn und kaute nachdenklich einen Bissen Zimtschnecke. »Ich war lange in Paris.«
»Das wundert mich nicht. Die Stadt lässt einen nicht so schnell los.«
»Es war ein Schock, Amun zu verlieren.«
Peter war so einfühlsam, seine Meinung für sich zu behalten. Eine Weile schlenderten sie schweigend durch den Park. Ein Junge ließ mit seinem Vater einen Bat-Signal-Drachen steigen. Sie lachten ausgelassen, und der Vater legte dem Jungen den Arm um die Schultern. Der Drachen stieg immer höher.
Soraya betrachtete die beiden und hob den Blick zum Drachen hinauf. »Als es vorbei war«, sagte sie schließlich, »da fragte ich mich: Was tu ich eigentlich? Will ich mein ganzes Leben so verbringen – Freunde verlieren und …?« Einen Moment lang konnte sie nicht weitersprechen. Sie hatte starke, wenn auch widersprüchliche Gefühle für Amun. Eine Zeit lang hatte sie sogar geglaubt, ihn zu lieben, doch das hatte sich als Irrtum herausgestellt. Die Erkenntnis verstärkte ihre Schuldgefühle noch mehr. Wenn sie ihn nicht darum gebeten und er sie nicht geliebt hätte, wäre er nie nach Paris gekommen. Dann würde er jetzt noch leben.
Sie hatte ihren Appetit verloren und schenkte ihren Kaffee und den Rest der Zimtschnecke einem Obdachlosen auf einer Bank, der erstaunt aufblickte und sich dann mit einem Kopfnicken bedankte. Nachdem sie sich ein Stück von ihm entfernt hatten, sagte sie leise: »Peter, ich kann mich selbst nicht mehr leiden.«
»Du bist auch nur ein Mensch.«
»Oh, bitte.«
»Hast du vorher nie Fehler gemacht?«
»Nur ein Mensch, ja«, sagte sie mit gesenktem Kopf. »Aber
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