Der Bourne Verrat: Roman (German Edition)
niemandem von uns erzählt hat.«
»Ein solcher Verstoß …«
Er brauchte den Satz nicht zu Ende zu sprechen. Die internen Regeln des Mossad waren wie die Zehn Gebote, und Rebekka hatte gegen das oberste verstoßen.
Der Direktor drehte sich um und starrte mürrisch aus dem Fenster seines Satellitenbüros im obersten Stockwerk eines Bürogebäudes in Herzlia. Am anderen Ende der Stadt befanden sich die Mossad-Akademie und die Sommerresidenz des Ministerpräsidenten. Der Direktor kam oft hierher, wenn er melancholisch wurde und ihn die Atmosphäre im Hauptquartier im nahen Tel Aviv nervte. Hier stand ein Brunnen in der kreisförmigen Auffahrt, und duftende Blumen blühten das ganze Jahr über, ganz zu schweigen vom nahen Hafen mit seinen Segelbooten, die sich sanft auf ihren Liegeplätzen wiegten. Der Wald aus Masten hatte etwas Beruhigendes an sich, selbst für Amit. Die Boote vermittelten ein Gefühl von Beständigkeit in einer Welt, in der sich von einem Moment auf den anderen alles ändern konnte.
Der Direktor segelte für sein Leben gern. Wann immer er einen Mann verlor – was zum Glück nicht so oft vorkam –, fuhr er mit seinem Boot hinaus, allein mit dem Meer und dem Wind und den klagenden Rufen der Möwen. »Findet sie, Dani«, sagte er schroff, ohne sich umzudrehen. »Krieg raus, warum sie sich über die Anweisungen hinweggesetzt hat. Und auch, was sie weiß.«
»Ich glaube nicht …«
»Sie hat uns verraten.« Der Direktor wirbelte herum und beugte sich vor. Der Bürostuhl ächzte unter seiner massigen Gestalt. Er legte seine ganze Autorität in jedes einzelne Wort. »Sie ist eine Verräterin. Wir werden dementsprechend mit ihr verfahren.«
» Memuneh , ich weiß nicht, ob es klug ist, vorschnelle Entscheidungen zu treffen.« Amit hatte ihn mit dem internen Titel angesprochen, der so viel wie Erster unter Gleichen bedeutete.
Die kugel- und bombensicheren Fenster waren mit einer Schutzschicht gegen Spionagevorrichtungen versehen, sodass man sich in dem Raum ein bisschen vorkam wie unter Wasser. Die Augen des Direktors schimmerten im gedämpften Licht wie die eines Tiefseefisches im Schein der Kopflampe eines Tauchers. »Ich weiß, dass sie deine Lieblingsschülerin ist, aber es wird Zeit, deinen Irrtum einzugestehen. Wir haben vielleicht keinen hundertprozentigen Beweis für Rebekkas Verrat, aber uns läuft die Zeit davon. Die Ereignisse drohen uns zu überrollen. Wir sind alte Freunde und Waffenbrüder. Zwing mich nicht, die Duvdevan einzuschalten.«
Die Erwähnung der Eliteeinheit der israelischen Streitkräfte ließ Amit schaudern. Es zeigte Rebekkas enorme Bedeutung für die israelische Sicherheit, dass der Direktor mit der Duvdevan drohte, um Amit zu einer Vorgehensweise zu bewegen, die ihm zutiefst widerstrebte.
»Wen setzt du ein?« Es klang so beiläufig, als würde er Amit fragen, wie es der Familie ging.
»Was ist mit ihren einzigartigen Fähigkeiten, ihrer Vielseitigkeit …«
»Ihr Verrat wiegt schwerer als alles andere, Amit, auch als ihre außergewöhnlichen Fähigkeiten. Wir müs sen davon ausgehen, dass sie etwas Brisantes herausgefunden hat. Was ist, wenn sie ihre Informationen an den Höchstbietenden verkauft?«
»Ausgeschlossen«, schoss Amit empört zurück.
Der Direktor musterte ihn einen Moment lang mit halb geschlossenen Augen. »Bis zum heutigen Tag hättest du wahrscheinlich auch gesagt, dass sie unmöglich spurlos verschwinden kann.« Er wartete. »Oder irre ich mich?«
»Nein«, gab Amit kopfschüttelnd zu.
»Also.« Der Direktor faltete seine Finger ineinander. »Wen setzt du dafür ein?«
»Ilan Halevy«, sagte Amit schweren Herzens.
»Den Babylonier.« Der Direktor nickte beeindruckt. Ilan hatte seinen Operationsnamen erworben, indem er fast im Alleingang das irakische »Babylon«-Waffenprojekt zu Fall brachte. Er hatte dabei mehr als ein Dutzend feindliche Sicherheitsleute getötet. »Okay, jetzt kommen wir zum Kern der Sache.«
Mit seiner eisernen Hand hatte der Direktor das Schiff in den letzten fünf Jahren durch die raue See der internationalen Spionage gesteuert, mit Operationen auf feindlichem Territorium und staatlich sanktionierten Exekutionen, während die eigenen Opfer auf ein Minimum beschränkt blieben. Der Tod eines eigenen Agenten bereitete ihm körperlichen Schmerz, weshalb er sich in diesem Fall in die Einsamkeit des Meeres zurückziehen musste. Dort verarbeitete er seine Trauer und klärte seine Gedanken.
»Wann gibst du ihm grünes
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