Der Bourne Verrat: Roman (German Edition)
will.«
»Entschuldigung«, sagte er mit wenig Überzeugung.
Die bestellten Spiegeleier kamen, zusammen mit Papas Bravas und Salsa Verde . Eine Zeit lang aßen sie schweigend. Eine gewisse Spannung baute sich zwischen ihnen auf. »Also«, begann er erneut, »zu wem gehörst du?«
Ein leises Lächeln krümmte ihre Lippen, das sie verbarg, indem sie ein zerlaufenes Eigelb mit ein paar Kartoffelstücken auftunkte und in den Mund steckte. Jetzt verstand sie, worauf er hinauswollte und warum er sie zurück nach Gibraltar gebracht hatte. Sie kaute nachdenklich und schluckte.
»Warum willst du das wissen, Don Fernando?«
»Weil du als Todesengel zu mir gekommen bist«, sagte er ganz ruhig. Er sah das Aufblitzen in ihren Augen, die sich ein klein wenig weiteten. »Jetzt frage ich mich, ob wir das hinter uns gelassen haben.«
»Und wenn nicht?«
Er lächelte. »Dann musst du mich töten.«
Sie lehnte sich zurück und wischte sich die Lippen ab. »Dann weißt du’s also.«
»Sieht so aus.«
»Wie lange schon?«
Er zuckte die Achseln. »Von Anfang an.«
»Und du unternimmst gar nichts?«
»Du interessierst mich, Martha.«
Ihre ernsten Augen studierten ihn einen Moment lang, dann lachte sie rau. »Ich werde wohl unaufmerksam.«
»Nein«, sagte er. »Du willst nicht mehr allein sein. Du willst zu jemandem gehören.«
»Ich gehöre zu Maceo Encarnación.«
Jetzt war es also raus. Sie hatte den schrecklichen Namen ausgesprochen.
Er schüttelte den Kopf. »Meine Liebe, das ist eine Illusion.«
»Jetzt sagst du mir wahrscheinlich, eine Illusion, die mir Maceo Encarnación in den Kopf gesetzt hat.«
»Ich würde sagen, es ist deine eigene Illusion.« Don Fernando kannte ihre Vorliebe für frisch gepressten Blutorangensaft und schenkte ihr nach. »Maceo Encarnación hätte nicht die Macht dazu.« Er hielt einen Moment lang nachdenklich inne. »Es sei denn, du hast sie ihm gegeben.«
Er zuckte erneut die Achseln und schaute ihr in die Augen. »Aber dazu bist du zu stark. Das weiß ich.«
»Woher?«, fragte sie. »Woher weißt du das?«
Er antwortete ihr mit den Augen.
»Ich bin seit Jahren bei Maceo Encarnación, nachdem ich …« Sie hätte beinahe gesagt: … nachdem ich viele Männer getroffen hatte, die mich benutzten und die ich benutzte, nach meiner Flucht aus Marrakesch, doch sie biss sich auf die Zunge und schwieg. Sie konnte nicht über diese Monate der Erniedrigung sprechen, nicht einmal mit diesem Mann, dem sie erstaunlicherweise vertraute, wie ihr jetzt bewusst wurde – und das, obwohl sie sich absolut sicher gewesen war, nie wieder einem Mann vertrauen zu können. Das galt auch für Maceo Encarnación, der sie so großzügig für ihre Dienste bezahlte, wie er auch ihre Ausbildung bezahlt hatte. »Du bist der geborene Killer«, hatte er einmal zu ihr gesagt. »Ein Rohdiamant, du brauchst nur ein bisschen Feinschliff, ein größeres Repertoire.« So etwas wie Vertrauen war zwischen ihnen nie ein Thema gewesen. Es war eine rein geschäftliche Beziehung, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Dennoch hatte sie nicht ein einziges Mal daran gedacht, ihn zu hintergehen. Bis jetzt.
Don Fernando Herrera, der Mann, der ihr gegenübersaß, schien in der Lage zu sein, in ihr Innerstes zu schauen. Er hatte alles verändert, ihr Leben auf den Kopf gestellt, sie dazu gebracht, alle Regeln zu brechen, die sie sich selbst auferlegt hatte. Aber vielleicht war er mehr so etwas wie ein Sendbote, der ihr den Schlüssel überbrachte. Der Rest war ihre eigene Entscheidung, wie er selbst angedeutet hatte. Sie hatte die Tür geöffnet und war in eine ganz neue Welt eingetreten. Er hatte ihr nicht gesagt, was sie tun oder fühlen sollte – er wollte ihr vielmehr klarmachen, dass sie ihre Entscheidung längst getroffen hatte.
Sie brauchte ihn nicht zu fragen, sie wusste auch so, dass er es so sehen würde, und dafür war sie unendlich dankbar. Er war ein Mann, wie sie ihn sich erträumt, aber nie in der Realität zu treffen geglaubt hatte, weil es ihn ganz einfach nicht geben konnte.
Und dennoch …
Sie wandte sich von ihm ab und blickte auf die schaukelnden Boote hinaus, die aufgerollten Segel, die trocknenden Netze auf den Decks der soeben zurückgekehrten Fischerboote.
»Als Kind glaubte ich, ich lebe am Ende der Welt«, sagte sie und stockte einen Moment lang, fast ängstlich, weiterzusprechen. Dann machte sie den nächsten Schritt in den hellen Raum. »Ich habe mich geirrt. Es war der
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