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Der Brander

Der Brander

Titel: Der Brander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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feuern!«
    Bolitho sah allmählich wieder eine gewisse Ordnung an Bord einkehren, die Schiffsbewegungen wurden kontrollierter, und sie reagierte auf das Ruder; aus dem Wirrwarr auf dem Vorschiff ragte der Maststumpf wie ein abgebrochener Zahn.
    Er sagte zu Keen: »Einen Grund hatten sie schon. Und ich beabsichtige, ihn herauszufinden. Damit wir beim nächsten Mal nicht überrascht werden.«
    Offiziere eilten zu Keen, um sich neue Befehle zu holen. Die dienstälteren Leute an Bord würden ihn jetzt mit dem früheren Kommandanten vergleichen. Egal, was sie dachten, es war jedenfalls kein guter Anfang.
    Bolitho sagte: »Beruhigen Sie die Leute und bringen Sie das Schiff wieder auf Kurs.«
    Es kostete ihn große Anstrengung, beherrscht zu sprechen. Sie hatten eine Niederlage einstecken müssen und Tote zu beklagen – es sei denn, das ausgesetzte Beiboot konnte noch Überlebende aus den achteraus abtreibenden Trümmern fischen.
    Nur aus Instinkt, aus einer schlimmen Vorahnung heraus hatte er Keen befohlen, zu dem Fremdling aufzuschließen.
    Jetzt war eine Verfolgung unmöglich geworden, das namenlose Schiff zog unter Vollzeug schnell davon.
    Keen tat ihm leid. Er hatte sich und die Mannschaft so geschunden, um den Anforderungen seines Admirals zu genügen, hatte geglaubt, den fremden Kommandanten zu überraschen, aber dann, als die Falle zuschnappte, war der Gegner gewappnet – und Keen war es nicht.
    Der Schiffsarzt Tuson, dessen weißes Haar der Wind zauste, gestikulierte zu den verfilzten Rigghaufen hinüber. Darunter mußten noch mehr Leute liegen.
    Mit blassem, grimmigem Gesicht nahm Keen die Meldungen seiner Offiziere entgegen.
    Heute hatte er eine Lektion bekommen, die er nie mehr vergessen würde, dachte Bolitho.
    Er gewahrte Adams besorgten Blick. Vielleicht dachte der Junge an seinen Vater. Hugh hatte damals unter falscher Flagge Bolitho getäuscht und sein Schiff zuschanden geschossen.
    Bolitho ging zur Poop und zog den Kopf ein, als er in den Schatten unter Deck trat.
    Auch ich habe eine Lektion vergessen, dachte er. Nämlich, daß es immer der letzte Sonnenaufgang sein kann.

Alte Feinde – neue Freunde
    »Nordwest zu Nord liegt an, Sir! Immer noch Ruder im Schiff!« Selbst die Stimme des Rudergängers klang gedämpft, als
Achates
nur unter Bramsegeln und Klüver langsam auf ihren Ankerplatz zukroch.
    Die Mittagssonne brannte heiß auf die nackten Schultern der Seeleute herab, die wartend an den Brassen standen oder auf den Rahen ausgelegt hatten. Bis auf die letzten paar Kabellängen war ihre Reise zu Ende.
    Bolitho hielt sich etwas abseits von Keen und seinen Offizieren und starrte zu der Küstenlinie hinüber, die im schimmernden Glast langsam Gestalt annahm.
    Bei Morgengrauen hatten sie Cape Cod schon querab gehabt, aber dann war die schwache Brise fast eingeschlafen, und es wurde Mittag, ehe sie ans Ankern denken konnten.
    Bolitho hob das Glas und studierte die Reede mit ihrem Dickicht aus Masten, Spieren und aufgetuchten Segeln – ein greifbarer Beweis für das Blühen und Gedeihen des Hafens von Boston. Schiffe und Flaggen aller Nationen gaben sich hier ein Stelldichein, Leichter hasteten zwischen ihnen und der Pier hin und her wie Wasserkäfer.
    Auch einige Kriegsschiffe lagen hier, konstatierte Bolitho. Zwei amerikanische Fregatten und drei Franzosen, einer davon ein mächtiger Dreidecker, an dessen Besanmast eine Admiralsflagge müde flappte.
    Bolitho schwenkte das Glas, bis der Landvorsprung in Sicht kam, der sich ihrem Backbordbug entgegenstreckte. Da war das vielsagende graue Band der Befestigungswälle und hoch darüber die Flagge.
    Bolitho machte sich klar, was er empfand und warum sein Mund plötzlich trocken wurde. Es war jetzt neunzehn Jahre her, seit er in diesen Gewässern gesegelt, an dieser Küste gelandet war. In einem anderen Krieg, mit anderen Schiffen. Nun fragte er sich, was sich alles geändert haben mochte und wie er selbst darauf reagieren würde.
    Er hörte Keens scharfen Befehl: »Beginnen Sie mit dem Salut, Mr.
    Braxton!«
    Das Krachen der ersten Kanone rollte über die Massachusetts Bay wie eingefangener Donner, während der Pulverrauch auf dem glatten Wasser hing, als hätte er nicht die Kraft, höher zu steigen. Kreischend flatterten Möwen und andere Seevögel von ihren Standplätzen auf, als das Schiff und die Batterie an Land Schuß um Schuß ihre Grüße tauschten.
    Bolitho mußte wieder an die Tage denken, die ihrem Gefecht mit dem namenlosen Schiff gefolgt waren.

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