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Der Brander

Der Brander

Titel: Der Brander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Beschämung und Wut wichen der fieberhaften Entschlossenheit, »eine offene Rechnung zu begleichen«, wie Allday es formuliert hatte. Die Schäden in der Takelage waren schlimmer gewesen als die am Rumpf, und vom Kommandanten bis zum kleinsten Pulverjungen hatten alle ihr Bestes gegeben, um das Schiff zu reparieren, ehe in Boston der Anker fiel.
    Eine neue Vormaststenge war an den geschäfteten Mast gelascht worden, laufendes Gut und Segel wurden ersetzt, während ein kräftiger Nordost gutes Vorwärtskommen versprach. Zuletzt hatten Farbe, Pech und Schweiß die Arbeit vollendet.
    Der Eifer war ansteckend gewesen; Bolitho hatte die vier Holzattrappen aus seiner Kajüte entfernen und wieder durch die Achtzehnpfünder ersetzen lassen. Sie raubten ihm zwar Platz, symbolisierten aber seine Entschlossenheit, sich nie wieder mit verhängtem Zügel überraschen zu lassen.
    Voraus sah er ein amerikanisches Wachboot bewegungslos über seinem Spiegelbild warten, um das britische Kriegsschiff an den Ankerplatz zu lotsen.
    Bolitho beschattete seine Augen und studierte die Küste: weiße Holzhäuser, mehrere Kirchen, Sonnenreflexe auf Fenstern und polierten Kutschen am Kai. Vielleicht beobachtete dort drüben manch einer das langsam herangleitende Schiff und erinnerte sich wieder an die schlimmen Tage der Revolution, an den Krieg, der Bruder gegen Bruder antreten ließ.
    »Alles klar, Sir!«
    »Dann stellt sie in den Wind«, antwortete Keen.
    »An die Lee-Brassen! Fiert weg«, kam Quantocks prompter Befehl. Bolitho blickte zum Großbramsegel auf. Die Brise reichte kaum aus, es killen zu lassen. Noch ein oder zwei Minuten, und sie hätten in einer Totenflaute gelegen.
    »An die Bramsegelschoten!« Quantock beugte sich weit über die Querreling und schwenkte sein Sprachrohr von einer Seite zur anderen, während er seine Männer hoch oben in der Takelage nicht aus den Augen ließ. »Klar bei Geitauen!«
    »Leeruder!« kam Keens Anweisung.
    Zögernd drehte
Achates
in den einschlafenden Wind, das weiße Gekräusel vor ihrem Steven verschwand mit dem letzten bißchen Fahrt.
    »Laß fallen Anker!«
    Keen war schon auf der anderen Seite des Decks, noch ehe der schwere Anker gefaßt hatte.
    »Und jetzt die Sonnensegel und Persennings, Mr. Quantock! Ein bißchen lebhaft! Da vorn sind heute alle Gläser auf uns gerichtet.«
    Bolitho biß sich auf die Lippen. Keen war nervös, er grübelte länger als jeder andere an Bord immer noch über ihr kurzes Duell mit dem geheimnisvollen Schiff.
    An dem Tag hatten sie zwei Männer verloren. Der eine war ertrunken, der andere von Wrackteilen erschlagen worden. Aber an Keen fraß noch etwas anderes, denn schließlich lebte ein Seemann immer riskant. Durch Unfälle an Bord oder im Kampf mit See und Wind starben mehr Männer als unter Feindbeschuß.
    Doch Keen nahm es schwer. Trotz seiner Erfahrung und unbestritten klugen Kampftaktik machte er sich wegen seiner falschen Lagebeurteilung Vorwürfe. Oder verschärfte die Tatsache, daß er Bolithos Flaggkapitän war, so sehr die Anforderungen, die er an sich stellte?
    Bolitho war selbst mehrfach als Flaggkapitän gefahren und konnte nachempfinden, was Keen durchmachte. Damals war er dankbar gewesen, als sein Admiral ihn in Ruhe gelassen und ihm Gelegenheit gegeben hatte, seinen Fehler wieder gutzumachen. Ganz gewiß sollte Keen die gleiche Chance von ihm bekommen.
    Sanft schwojte
Achates
an ihrer Ankertrosse, während an Deck alle Mann wie besessen arbeiteten, um die Boote auszuschwenken und die Sonnensegel aufzuspannen, die die Mittagsglut etwas erträglicher machen würden.
    Bolitho sah Knocker seine Rudergänger unter Deck entlassen. Dann studierte er die Berechnungen auf der Schiefertafel neben dem Kompaß, die ein Kadett angestellt hatte. Dabei rieb er sich nachdenklich das kräftige Kinn.
    Knocker hatte guten Grund, mit sich zufrieden zu sein, überlegte Bolitho. Trotz allem hatte
Achates
die Reise von Hampshire nach Boston in der Rekordzeit von nur sechzehn Tagen geschafft. Für einen leichten Zweidecker, der unterwegs auch noch Reparaturen ausführen mußte, war das keine schlechte Leistung. Bolitho wollte dem griesgrämigen Segelmeister dafür seine Glückwünsche aussprechen, doch da war er bereits im Kartenraum verschwunden.
    Also trat er statt dessen an die Webeleinen und blickte zu den einheimischen Booten hinunter, die den Neuankömmling schon zu umkreisen begannen. Er sah gebräunte Gesichter, farbenfrohe Gewänder und viele neugierige Blicke.

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