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Der Brander

Der Brander

Titel: Der Brander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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verwundeten Kameraden wie einen Sack über die Schulter geworfen. Er verhielt kurz bei Evans und keuchte: »Kommen Sie, Sir, hier gibt’s nichts mehr zu tun.«
    Der Verwundete stöhnte, und sein Träger wollte sich abwenden, aber irgend etwas in Evans’ Gesicht hielt ihn fest. Der Seesoldat hatte die Schlacht bei Abukir und auch die am Kap St. Vincent mitgemacht und schon viele Freunde sterben gesehen.
    Grob fuhr er den Jungen an: »Du hast getan, was du konntest, also komm jetzt mit, ja?«
    Ein Beben ging durch das Schiff. Die
Sparrowhawk
begann unterzuschneiden.
    Der kleine Kadett folgte dem Seesoldaten zum Schanzkleid und zuckte nicht einmal zusammen, als der Großmast wie eine überhängende Klippe donnernd von oben kam.
    »Ich bin soweit, danke.« Es klang seltsam in diesem schrecklichen Augenblick.
    Kanonen rissen sich los und krachten, tote und wimmernde Männer zermalmend, der Länge nach durch die Decks.
Sparrowhawk
reckte noch einmal das Heck empor und ging dann steil nach unten. Wo sie versank, drehte sich ein Wirbel aus Wrackteilen, Menschen und Gliedmaßen – noch lange, nachdem der Angreifer mehr Segel gesetzt hatte und sich mit westlichem Kurs davonmachte.
    Als Zeugen der Vernichtung blieben zwei Boote und ein flüchtig zusammengelaschtes Floß zurück, umdrängt von Überlebenden, die um einen Platz an Bord oder wenigstens um Halt für ihre Fäuste kämpften.
    Eine Woche danach sichtete die amerikanische Brigg
Baltimore Lady,
unterwegs von Guadeloupe nach New York, ein treibendes Boot und drehte bei, um es sich näher anzusehen. Das Boot war voller Männer, alle von der Sonne verbrannt und ausgedörrt, einige tot, der Rest nur noch halb am Leben. Die Toten waren ihren Wunden erlegen oder verdurstet, die Überlebenden konnten kaum sprechen. Aber die Spuren von Haizähnen an der Außenhaut des Bootes waren beredt genug: Tiefe Riefen zeigten, wo die Bestien die Männer weggerissen hatten, die sich außen anklammerten. Eine Art Offizier führte das Kommando im Boot; der Maat der Brigg beschrieb ihn später als »halbes Kind«.
    Midshipman Evans hatte Duncans letztem Befehl gehorcht und ›nach den anderen gesehen‹.
    Aber das Erlebnis verfolgte ihn für den Rest seines Lebens.
    Samuel Fane betrachtete Bolitho ohne jede Gefühlsregung. »Ich habe mit dem Präsidenten gesprochen«, sagte er. »Und außerdem habe ich die Angelegenheit San Felipe mit dem französischen Admiral diskutiert.«
    Auch Bolitho war die Ruhe selbst. Es hatte keinen Sinn, Fane vorzuwerfen, daß er hinterrücks mit den Franzosen verhandelt hatte. Das war sein gutes Recht, wenn Boston als neutraler Boden galt.
    Auch erwies es sich als hilfreich, daß er diesmal mit Fane an Bord seines eigenen Flaggschiffs verhandelte. An Land, als Gast in Chases prunkvollem Haus, war er der Fremdling gewesen. Doch jetzt, inmitten der vertrauten Umgebung, fühlte er Sicherheit und Zuversicht.
    Er sagte: »Ehe ich nicht den Bericht meines Fregattenkapitäns vorliegen habe, können keine weiteren Schritte unternommen werden. Vielleicht läßt sich ein Kompromiß erarbeiten, aber nur auf der Grundlage der augenblicklichen Situation. Sir Humphrey Rivers ist der britische Gouverneur auf San Felipe, nicht mehr und nicht weniger.«
    Jonathan Chase hatte schon zwei Gläser Weißwein geleert, wohl aus Sorge um den Verlauf der Besprechung, von der er sich diesmal einen besseren Ausgang erhoffte. »Das ist doch nicht unbillig, Sam, oder?« schaltete er sich vermittelnd ein.
    Fanes tiefliegende Augen glitten über ihn hinweg. »Meine Regierung duldet in ihrer Einflußsphäre keinerlei Kriegshandlungen, die das amerikanische Interesse an freiem Handel und Verkehr beeinträchtigen würden. Ich halte es für die beste Lösung, daß die Insel amerikanisches Protektoratsgebiet wird, wenn die Bewohner eine Übergabe ablehnen.« Und abschließend, mit einem resignierten Seufzer: »Aber wenn der Admiral zuerst eine Demonstration der Stärke wünscht, dann müssen wir ihm wohl den Gefallen tun.«
    Chase hielt Ozzard sein Glas zum Nachfüllen hin. »Herrgott, Sam, müssen Sie immer so tierisch ernst sein?«
    Fane lächelte verkniffen. »Meistens.«
    An Deck oben erklangen Schritte, Befehle wurden gerufen. Das war Bolithos Welt, und nicht diese Doppelzüngigkeit hier unten. Er erhob sich und trat an die Heckfenster. Eine leichte warme Brise strich über die Massachusetts Bay und hatte den Himmel bis auf einige rosa Wölkchen leergefegt. Wie einladend doch die See

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