Der Brander
glaubte Bolitho, selbst Zeuge dieses kurzen, mörderischen Treffens gewesen zu sein, das mit
Sparrowhawks
völliger Vernichtung geendet hatte.
Ein Wunder, daß der Junge nicht zusammengebrochen war, dachte Bolitho. Schließlich segelten sie nicht in den Krieg, mit dem Tod als allgegenwärtigem Schatten. Es war Evans’ erste Reise gewesen, zwar auf einem Kriegsschiff, aber in friedlicher Mission. Auch kam er nicht aus einer Familie von Seeleuten, sondern war der Sohn eines walisischen Schneiders.
Seinen besten Freund und Kameraden wie ein Tier abgeschlachtet zu sehen, dem verwundeten Duncan im Tode Beistand zu leisten, während das tödlich getroffene Schiff unter ihm versank, war mehr, als die meisten seiner Altersgenossen verkraftet hätten. Vielleicht würde der Schock erst später, möglicherweise nach Monaten, auftreten.
Allday berichtete, daß Evans eine Explosion zu hören glaubte, als sein Boot von der sinkenden Fregatte wegpullte. Sie hatten ja nicht einmal Zeit gehabt, das Kombüsenfeuer zu löschen. Wahrscheinlich waren die Flammen auf das Pulvermagazin übergesprungen. So kam das Ende für die an Bord Verbliebenen wenigstens schnell, und die Schockwelle der Explosion hatte die Haie eine Weile von den Schwimmern ferngehalten.
Ein anderer Überlebender, ein erfahrener Artillerist, hatte Allday berichtet, daß das Kanonenfeuer ihres Mörders lauter und heller geklungen hatte, als zu erwarten gewesen war. Er glaubte, daß seine Batterie aus Kanonen bestand, die großkalibriger waren als üblich, wenn auch der Zahl nach reduziert.
Bolitho warf einen Blick auf den Achtzehnpfünder neben seinem Schreibtisch. Wahrscheinlich also Zweiunddreißigpfünder. Aber warum?
Die Tür öffnete sich langsam, und Yovell spähte zögernd herein. Bolitho sagte: »Die Depeschen sind fertig.«
Waren sie denn überhaupt von Bedeutung? Er wußte es besser, und Keen ebenso. Nur leere Worte. Aber die Fakten waren ebenso eindeutig wie grausam: Er hatte ein gutes Schiff mit fast der gesamten Besatzung verloren. Und Duncan, einen nahen Freund und tapferen Offizier. Was sollte aus seiner jungen Witwe werden?
Yovell stand immer noch im Türrahmen.
»Ein Postschiff wirft gerade Anker, Sir«, sagte er. »Es kommt aus England.«
Bolitho starrte ihn an und sah mit Schrecken die Furcht in Yovells rundem Gesicht.
Mein Gott, dachte er, der Mann hat ja Angst vor mir. Aber dann traf ihn die Erkenntnis wie ein Schock: Der Sekretär ängstigte sich vor seiner Gereiztheit, weil das Postschiff möglicherweise keine Nachricht von Belinda mitbrachte.
Als Bolitho das begriffen hatte, fiel es ihm leichter, seine quälende Spannung zu meistern. »Danke, Yovell«, sagte er. »Nehmen Sie die Pinasse und schaffen Sie meine Depeschen auf die
Electra.
Auch alle Briefe der Besatzung.« Er sah den Sekretär noch zögern. »Und danach lassen Sie sich zum Postschiff rudern, ja? Vielleicht haben sie dort Briefe aus der Heimat für uns«, schloß er.
Bolitho setzte sich und sagte, als Yovell verschwunden war: »Wenn ich zu Ihnen allen ziemlich gereizt war, Val, möchte ich mich entschuldigen.«
Keen nutzte den günstigen Augenblick. »Als Ihr Flaggkapitän, Sir«, sagte er, »steht es mir doch frei, aus gegebenem Anlaß Vorschläge zu machen oder Warnungen auszuspreche n?«
»Das stimmt.« Bolitho lächelte grimmig. »Thomas Herrick hat von diesem Recht ausgiebig Gebrauch gemacht, also sprechen Sie ganz offen.«
Keen hob die Schultern. »Sie werden von allen Seiten bedrängt, Sir. Die Franzosen weigern sich, mit Ihnen über San Felipe zu reden, und sie müssen es auch nicht tun, da ja unsere beiden Regierungen über die Zukunft der Insel bereits Vereinbarungen getroffen haben. Die Amerikaner wollen die Franzosen nicht vor ihrer Haustür haben, weil das ihre Strategie in einem zukünftigen Konflikt behindern könnte. Der Gouverneur von San Felipe bekämpft die Übergabe – also Sie – mit allen Mitteln, und ich nehme an, damit hat Admiral Sheaffe von Anfang an gerechnet. Weshalb sich also den Kopf zermartern? Wenn der Gouverneur nicht kapitulieren will, können wir ihn unter Arrest stellen oder sogar in Eisen legen.« Keens Ton wurde härter. »Zu viele Leute sind seinetwegen schon gestorben. Es wäre besser, wenn wir selbst die Insel übernähmen, als ihr Schicksal ihm zu überlassen. Er strebt wahrscheinlich völlige Unabhängigkeit von der britischen Krone an und spielt zu diesem Zweck eine Partei gegen die andere aus – solange wir es ihm
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