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Der Brander

Der Brander

Titel: Der Brander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Bolitho ihm zusah, stiegen wieder die Bilder der Erinnerung in ihm auf: die kleine Korvette
Sparrow,
sein erstes Schiff, auf dem der Südstaatler Jethro Tyrrell Erster Offizier gewesen war.
    Es tat weh, den Holzstumpf zu sehen, den er nachschleifte, und seine schäbige Kleidung.
    Bei Bolithos Admiralsrock, der nachlässig über einen Stuhl geworfen war, blieb Tyrrell stehen und betastete eine goldene Epaulette.
    »Stimmt, es ist zwanzig Jahre her«, sagte er leise. »Aber Sie sind ganz schön vorangekommen, Dick. Bin richtig stolz auf Sie.«
    Allein schon sein weicher Virginia-Tonfall rief tausend Dinge in Bolithos Gedächtnis zurück.
    Vorsichtig ließ Tyrrell sich auf einen Stuhl nieder und zupfte seinen Rock zurecht. »Am besten gehe ich bald wieder. Wollte nur mal guten Tag sagen. Ich möchte nicht…«
    Bolitho rief dazwischen: »He, ich war einmal Ihr vorgesetzter Offizier, und mein Wort gilt immer noch. Deshalb werden Sie hierbleiben und mir erzählen, wie es Ihnen ergangen ist. Nach dem Krieg habe ich vergeblich nach Ihnen geforscht.«
    Tyrrell sah zu, wie Ozzard mit Flaschen und Gläsern hantierte.
    »Als man mir unseren jungen Freund hier als Passagier schickte, da wußte ich, daß ich Sie wiedersehen würde.« Seine Augen spiegelten das reflektierte Sonnenlicht wider. »Das waren großartige Zeiten, sage ich Ihnen.« Er warf dem jungen Leutnant einen Blick zu, der gebannt lauschte. »So grün er war – sogar noch jünger als ich –, so faustdick hatte er’s schon damals hinter den Ohren. Duellierte sich um ein Mädchen, das ihn um jeden Preis tot sehen wollte, und attackierte die Franzosen beinahe mit bloßen Händen.« Tyrrell lächelte breit, aber seine Augen blieben düster und traurig.
    Vorsichtig erkundigte sich Bolitho: »Und was treiben Sie jetzt?«
    »Dies und das. Ich führe die
Vivid,
aber sie gehört mir nicht, leider. Treibe mit ihr Handel zwischen den Inseln. – Die Spanier und die Briten sind mir dauernd auf den Fersen, weil sie mich außerdem für einen Schmuggler halten. Was für ein Witz! Man braucht mich ja nur anzusehen – ein Schmuggler wäre besser dran.«
    Die Tür ging auf, und Keen trat zögernd ein.
    »Dies ist Jethro Tyrrell«, machte Bolitho bekannt, »mein Erster auf der
Sparrow.«
Bei Keens Verblüffung mußte er lächeln. »Das war in einem ganz anderen Krieg, Val. Aber ein feines kleines Schiff.«
    Unbehaglich rutschte Tyrrell auf seinem Stuhl herum, die allgemeine Aufmerksamkeit machte ihn verlegen.
    »Wie dem auch sei, ich höre, Sie haben hier unten ziemlichen Ärger. San Felipe soll an die Franzosen zurückgegeben werden, stimmt’s?«
    Bolitho nickte ernst. »Das hat sich aber schnell herumgesprochen.«
    Tyrrell verzog das Gesicht. »Wohl doch nicht schnell genug. Sie sollten sich vor den verdammten Spaniern besser in acht nehmen. Die haben es sich in den Kopf gesetzt, diese Insel zu erobern.« Mit heimlicher Genugtuung sah er in ihre erstaunten Gesichter. »Und das werden sie auch schaffen, wenn Sie nicht verteufelt vorsichtig vorgehen. Sie haben überall ihre Späher. Sogar meine kleine
Vivid
wollten sie anhalten und durchsuchen, nach Briefen oder Depeschen.« Er warf Adam einen Blick zu. »Beim Satan, wenn sie ihn an Bord gefunden hätten, wären wir alle umgebracht worden, so sicher wie das Amen in der Kirche.«
    Bolitho beugte sich vor. »Stimmt das wirklich? Das mit den Spaniern?«
    Tyrrells grimmiger Blick ließ ihn nicht los. »Ich brauche Geld, damit ich die
Vivid
kaufen kann. Viel stellt sie ja nicht dar, aber wenigstens wäre sie ein neuer Anfang.« Dann wandte er sich ab. »Sie ist für mich genauso wichtig wie für Sie das Schiff, das Ihre Fregatte versenkt hat.«
    Sein Ton war defensiv, beschämt; aber man merkte ihm an, wie ernst es ihm war.
    »Ich werde Ihnen helfen, Jethro«, versprach Bolitho. »Das hätte ich auf jeden Fall getan, wenn ich nur gewußt hätte, wie.«
    »Ich hatte auch mal meinen Stolz, Dick. Damals. Jetzt kann ich mir Stolz nicht mehr leisten. Hab meine ganze Familie verloren. Mein Leben ist die See, mehr ist mir nicht geblieben. Ich brauche ein Schiff.«
    Bolitho trat neben ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter.
    »Sie bekommen Ihr Schiff, glauben Sie mir.«
    Tyrrell seufzte tief auf. »Dafür bringe ich Sie zu dem verdammten Spanier!«
    Bolitho warf Keen einen Blick zu, aber dem schien es vor Erstaunen die Sprache verschlagen zu haben.
    Es war zwanzig Jahre her – und trotzdem so frisch, als wäre es erst gestern

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