Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Brander

Der Brander

Titel: Der Brander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
Vom Netzwerk:
gewesen.

Verkörperung der Treue
    »Herrgott noch mal, Allday, mach die Luke zu!«
    Bolitho beugte sich wieder über die Seekarte von San Felipe mit den benachbarten Küstenabschnitten Kubas und Haitis; seine Finger trommelten auf den exakten Kursberechnungen und Tiefenangaben.
    Aber bei den geschlossenen Fenstern und Luken wurde es in der Kajüte bald heiß wie in einem Backofen. Außerdem war es sinnlos, die Geräusche ließen sich nicht aussperren; immer noch hörte Bolitho laut und deutlich Black Joe Langtry die Schläge mitzählen, die der Profos mit der neunschwänzigen Katze austeilte.
    Bolitho fand es selbst merkwürdig, daß er sich mit der Prügelstrafe immer noch nicht abgefunden hatte, diesem Allheilmittel jedes Kommandanten bei Verstößen gegen die Disziplin.
    Ein Trommelwirbel, danach eine kurze Pause und schließlich wieder das scheußliche Klatschen der Peitsche auf einem nackten Rücken. Bolitho starrte blicklos auf die Karte nieder, bis seine Augen schmerzten.
    »Zehn!« Erneut Langtrys rauhe Stimme.
    Keen und seine Offiziere mußten da oben sein und zusehen, obwohl auch ihnen dieser Strafvollzug zuwider war. Aber auf einem Kriegsschiff, das allein segelte und von niemandem Unterstützung erwarten konnte, mußte der ständig drohenden Gefahr des Aufruhrs mit drakonischen Strafen vorgebeugt werden.
    Drei verläßliche Matrosen hatten an Land für den Zahlmeister gearbeitet und waren desertiert. Aber die Inselmiliz hatte sie bald aufgestöbert und wieder an Bord gebracht. Offenbar hatten sie auf einer Plantage ein paar Halbblutmädchen kennengelernt, und was darauf folgte, war nur zu alltäglich.
    Wieder das Klatschen. »Elf!«
    Jetzt zahlten sie den Preis für ihr kurzes Vergnügen. Keen hatte die Mindeststrafe von vierundzwanzig Peitschenhieben pro Deserteur verhängt, aber auch sie reichte schon aus, einen Rücken in rohes Fleisch zu verwandeln.
    Um sich abzulenken, dachte Bolitho an Tyrrell. Er war wieder auf seine
Vivid
zurückgekehrt, um die Sturmschäden zu beheben und die Narben auszubessern, die der Beschuß der spanischen Drehbassen hinterlassen hatte.
    Sein plötzliches Auftauchen hatte Bolitho mehr aus dem Gleichgewicht gebracht, als er sich eingestehen wollte. Seither verfolgte ihn die Erinnerung an die lange zurückliegenden, gemeinsamen Erlebnisse, an die kleine
Sparrow
und die schicksalhafte Rolle, die das Schiff für sie beide gespielt hatte.
    Würden die alten Bilder ihn denn auf ewig verfolgen?
    Erst letztes Jahr war die Fregatte
Phalarope,
Bolithos zweites Schiff, wie ein Gespenst aus der Vergangenheit aufgetaucht und in seinem Geschwader mitgesegelt; und nun suchte ihn die Erinnerung an die alte
Sparrow
heim… War er damals wirklich glücklicher gewesen, wie ihm die Erinnerung jetzt vorgaukelte? Mit weniger Verantwortung, aber eher bereit, das Leben zu riskieren, sogar zu verlieren, nicht in dieser ständigen Sorge um seinen Ruf?
    Die Trommeln an Deck verstummten, die Auspeitschung war beendet.
    Er kannte Tyrrell besser als die meisten, hatte ihm beigestanden, als ihm das Bein unterm Leib weggeschossen worden war. Aber jetzt war er nur noch ein Zerrbild des Offiziers von damals. Auf den ersten Blick ein harmloser Alter, der typische kleine Handelskapitän, der überall Gerüchte über das Kommen und Gehen der großen Kriegsschiffe aufschnappte. Der Skipper eines so kleinen Frachtseglers scherte sich wenig um ihre Nationalitäten oder Flaggen, sie waren für ihn alle gleich bedrohlich. Immer auf der Suche nach erfahrenen Seeleuten, obwohl das gewaltsame Pressen nicht mehr üblich war. Aber wen kümmerte schon das Schicksal eines schanghaiten Matrosen, wenn man davon überhaupt jemals erfuhr?
    Auch bei eindringlicher Befragung hatte Tyrrell auf seiner Beschreibung des mächtigen Zweideckers beharrt: ohne Flagge, ohne Namen, war er doch bekannt bei den spanischen Fregatten aus Santo Domingo, ja selbst aus dem Hunderte von Meilen südlicher gelegenen La Guaira; alle kannten und mieden ihn.
    Dieses geheimnisvolle Schiff, das ohne zu zögern Keens List mit Kanonenschüssen beantwortet und die
Sparrowhawk
erbarmungslos abgeschlachtet hatte, mußte mit einem bestimmten Auftrag in der karibischen See und ihren Zugängen segeln; ein Auftrag, für den sein Kommandant notfalls auch das Äußerste riskierte.
    Bolitho hörte Allday wieder das Oberluk öffnen und war sich bewußt, daß dieser ebenso wie Ozzard und alle anderen, die in seine Nähe kamen, wie auf Katzenpfoten um ihn

Weitere Kostenlose Bücher