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Der Brander

Der Brander

Titel: Der Brander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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eine Drohung zu verkörpern, und deshalb war er heilfroh, ihn los zu sein.
    Doch Bolitho sprach schon weiter. »Ich habe mich verändert, seit ich weiß, daß ich eine Tochter habe.«
    Allday atmete auf; die trübe Stimmung war verflogen.
    »Eins ist mal sicher, Sir: Sie bringt endlich Abwechslung in die Familie. Zwei Bolithos auf hoher See sind für uns mehr als genug, das steht fest.«
    Einen Augenblick fürchtete Allday, jetzt doch zu weit gegangen zu sein, aber Bolitho antwortete mit einem Lächeln: »Also, dann brechen wir doch einer Flasche den Hals und trinken auf die Gesundheit der jungen Dame, einverstanden?«
    Oben an Deck hörte Adam Alldays rauhes Lachen aus dem Skylight schallen und umfaßte die Reling in plötzlicher Erregung. Beim Blick über die allmählich dunkler werdende Reede konnte er
Vivids
Ankerlicht erkennen und den schwachen Schimmer einer Laterne hinter den Kajütfenstern. Bald – und viel früher, als er zu hoffen gewagt hatte – würde er also Robina wieder in die Arme schließen können. Er spürte ihre Lippen, als hätte sie ihn eben erst geküßt, und roch ihr Parfüm, als stehe sie neben ihm.
    Wie froh war er, daß Bolitho sich doch noch entschlossen hatte, seinem alten Freund zu vertrauen! Es würde interessant werden, wieder seinen Geschichten aus alten Zeiten zu lauschen, sobald sie erst Segel gesetzt und San Felipe hinter sich gelassen hatten.
    Der Erste Offizier ging seine Abendronde und gewahrte Adams Silhouette vor dem dämmrigen Himmel.
    Da ballte Quantock die Fäuste. Es war aber auch zu unfair!
Ihm
hätte man die Brigg geben müssen, ganz gleich für wie kurze Zeit. Zur Hölle mit ihnen allen! Wenn
Achates
in ihrem jetzigen Zustand nach England zurückkehrte, wurde sie bestimmt außer Dienst gestellt wie die meisten anderen Schiffe der Flotte. Quantock wußte, daß er dann wie ein Fisch auf dem Trockenen landen würde, nur einer von den vielen überzähligen Marineoffizieren, für die nirgends ein Posten frei war.
    Er fluchte in den dämmerigen Abend. Verdammter Frieden! Krieg brachte zwar Gefahren, zugleich aber viele Chancen auf Beförderung und Auszeichnung.
    Chancen, wie sie die Bolithos dieser Welt immer hatten und haben würden. Er ließ den Blick über das leere Deck wandern. Aber die Reihe würde auch an ihn kommen.
    Träge schwojte
Achates
in ihrer Ankertrosse und wartete wie die Verwundeten im Schiffslazarett darauf, daß die Spuren des Gefechts verheilten.
    Die Messe im Zwischendeck war überfüllt. Zwischen den mächtigen Kanonen saßen die Matrosen und Soldaten im Schein der Öllampen, klönten oder widmeten sich ihrem sorgsam gehüteten Rumvorrat. Hier und da schnitzten schwielige Finger überraschend feinfühlig an einem kleinen, detailgetreuen Modell oder an einer Muschelschale herum. Ein Matrose, der schreibkundig war, hockte dicht unter einer Lampe, während daneben ein Kamerad ihm mühsam einen Brief an seine Frau in England diktierte. Im Quartier der Seesoldaten säuberte man die Waffen oder dachte an das letzte Gefecht, vielleicht auch an das bevorstehende; denn obwohl niemand davon sprach, wußten alle, daß es nicht zu vermeiden war.
    Unten im Orlopdeck war die Luft zum Schneiden dick. Der Schiffsarzt James Tuson wischte sich die Hände und sah zu, wie abermals einem Schwerverwundeten die Decke übers Gesicht gezogen wurde; die Arztgehilfen hoben ihn an und trugen ihn hinaus. Besser für ihn, daß er tot war, dachte Tuson. Bei einer doppelten Beinamputation… Er ließ den Blick durch sein kleines Lazarett schweifen, diese Stätte des Elends. Warum? fragte er sich. Wozu das alles?
    Die Matrosen fochten nicht für König und Land, wie die Landratten immer so gern glaubten. Der Chirurg fuhr jetzt schon zwanzig Jahre zur See und wußte es besser. Sie kämpften für ihre Kameraden, für ihr Schiff und manchmal für ihren Anführer. Ihm fiel Bolitho ein, den er mit erschüttertem Gesicht an Deck hatte stehen sehen, als ihn die Mannschaft hochleben ließ, obwohl er sie in den Tod schickte. Ja, auch für
ihn
würden sie kämpfen.
    Er duckte sich unter den schweren Decksbalken und wollte weitergehen, da spürte er, daß jemand sein Bein packte. Tuson bückte sich. »Was ist denn, Cummings?«
    Ein Gehilfe leuchtete ihm mit der Laterne, so daß er den Verwundeten besser sehen konnte. Ein Eisensplitter hatte ihn in die Brust getroffen – ein Wunder, daß er noch lebte.
    Der Mann namens Cummings flüsterte: »Danke, daß Sie sich um mich gekümmert haben, Sir«.

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