Der Brander
sich damit abfinden müssen, daß sein Schiff unter den primitivsten Umständen wieder zusammengeflickt wurde. Denn sobald
Achates
die Insel sich selbst überließ, würde unweigerlich eine Invasion von wem auch immer erfolgen, daran bestanden kaum Zweifel.
Keen wußte am besten, wie wenig Bolitho sich geschont hatte. Er hatte zahllose Besuche an Land gemacht, auch beim ehemaligen Gouverneur Rivers, dem er die Rückkehr in sein Haus erlaubt hatte, wo er jetzt unter Arrest stand. Keens Einspruch dagegen war vergeblich gewesen.
Jetzt, gegen Ende August, war die Hitze unerträglich geworden. Trotzdem mußten sie jeden Tag, sogar zu jeder Stunde, darauf gefaßt sein, daß die Ausguckposten des Forts die Annäherung spanischer – oder französischer – Schiffe meldeten;
Achates
blieb deshalb Tag und Nacht see- und gefechtsklar.
Am Vormittag war
Electra
nach Antigua ausgelaufen, mit Depeschen für den Admiral, sollte er zurückgekehrt sein, und mit anderen, dringlicheren, für die Admiralität in London. Diese Schreibarbeit und eine Menge anderer Dinge hatten Bolitho bis spät in die Nacht an seinem Schreibtisch festgehalten, und trotzdem schien er nie zu ermüden oder sich über die Verzögerung und Quertreibereien durch die Inselbewohner zu ärgern.
Der Brief seiner Frau aus Falmouth gab ihm offenbar mehr Auftrieb, als hundert Siege es vermocht hätten.
Bolitho blickte von seinen Papieren auf, erleichtert darüber, daß Napier endlich mit seinen Ideen und Vorschlägen nach Antigua unterwegs war; wenn Sheaffe in der Admiralität sie schließlich zu lesen bekam, war er festgelegt. Ob richtig oder falsch, seine Entscheidung war getroffen. Und genau davor hatte er sich bisher gescheut. Nun war er froh, sogar begierig, mit einer Freiheit zu handeln, die er sich bisher nicht gestattet hatte.
»Rivers sagt, daß er sich nicht einmischen wird. Später sollen andere über sein Schicksal entscheiden.« Bolitho fielen die tiefen Falten in Keens Gesicht auf, und er fügte mitfühlend hinzu: »Ich weiß, daß Sie harte Tage hinter sich haben, Val.«
Keen zuckte mit den Schultern. »Mr. Quantock, der Master, Mr. Grace, der Zimmermann – alle sind sich ausnahmsweise einig: Wenn dieses Schiff vor der gründlichen Überholung in einer Werft in ein Gefecht verwickelt wird, muß es ernsthaften Schaden nehmen.«
Bolitho nickte. »Das ist mir klar. Außerdem sind wir wegen unserer Verluste unterbemannt.«
»Ohne eine Unterstützung durch andere Schiffe können wir uns kaum selbst verteidigen, Sir«, fuhr Keen fort. »Geschweige denn die ganze Insel.«
»Ich habe einen energischen Lagebericht verfaßt, Val.«
Bolitho beugte sich aus einem Heckfenster und holte tief Atem. Aber die Luft war draußen genauso schal und heiß. Er wünschte sich, auf See zu sein, selbst eine Flaute dort wäre erträglicher gewesen als dieses untätige Warten. Einzig der Gedanke an Belindas Brief, den er am Ende jedes arbeitsreichen Tages las, munterte ihn etwas auf. Eine Tochter – er konnte sich einfach nicht vorstellen, wie sie aussehen mochte. Belinda hatte von ihrer Liebe geschrieben, von ihren Hoffnungen, aber er konnte auch zwischen den Zeilen lesen. Offenbar war es eine schwere Geburt gewesen. Um so besser, wenn sie immer noch glaubte, daß er in diplomatischer, nicht in gefährlicher Mission unterwegs war.
Scheinbar zusammenhanglos fragte Keen: »Und was wird aus Mr. Tyrrell, Sir?«
Bolitho biß sich auf die Lippen. Er hatte Tyrrell gleich nach dem Festmachen auf seine Brigantine geschickt, fast ohne ein Wort mit ihm zu wechseln. Ob er sich aus Trotz oder Schuldbewußtsein stumm verhielt, ließ sich noch nicht beurteilen.
Er sagte: »Ich möchte ihn so bald wie möglich sprechen, Val.« Keens Überraschung amüsierte ihn. »Ich brauche seine
Vivid,
sie ist das einzige Schiff, das mir im Augenblick außer
Achates
zur Verfügung steht. Und da ich sie ohnehin kaufen will, kann sie auch gleich unter unserer Flagge segeln.«
»Wenn Sie das für klug halten, Sir?«
»Klug? Kann ich im Augenblick noch nicht sagen. Fest steht nur, daß es mehrere Monate dauern wird, ehe mein Flaggschiff wieder voll einsatzfähig ist. Mittlerweile droht uns ein Angriff der Spanier. Niemand kann von mir erwarten, daß ich diese Insel den Franzosen übergebe, ehe ich die Dinge hier ein für allemal bereinigt habe. Wenn es in letzter Minute zu einem Konflikt um San Felipe käme, würden uns die Franzosen nur zu gern die Schuld daran geben und uns vorwerfen, wir
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