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Der Brandstifter

Der Brandstifter

Titel: Der Brandstifter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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gehe davon aus, dass Sie aus meiner Anwesenheit keine falschen Schlüsse ziehen.«
    Ich lächelte den Anwalt nichtssagend an und wandte mich wieder Caspian Faraday zu, der auf einem Stuhl am Fenster so Platz genommen hatte, dass er das Licht im Rücken hatte. Alter Trick. Vielleicht tat er das ja aus Gewohnheit und nicht aufgrund von Schuldgefühlen, denn als er mir die Tür geöffnet hatte, war mein erster Gedanke, dass er im Vergleich zu seinem Autorenfoto ziemlich gealtert war. Das kurz geschnittene blonde Haar war ergraut und bildete schon deutliche Geheimratsecken. Eine hohe Stirn hatte er zwar auch auf dem Bild gehabt, aber inzwischen war die beginnende Glatze nicht mehr zu leugnen. Trotz der Bräune in seinem Gesicht sah man deutlich die Falten um seine beeindruckend blauen Augen. Zudem konnte auch der typisch intellektuelle schwarze Rollkragenpullover das weicher werdende Kinn und den Bauchansatz nicht verbergen. Zu viel Wohlstand, lautete meine Diagnose. Aber trotz allem war er nach wie vor attraktiv: groß und breitschultrig, mit schönen Händen und einer tiefen, wohlklingenden Stimme. Er war 44, wie ich seinem Führerschein entnommen hatte– desgleichen die Information, dass er gern schneller fuhr als erlaubt und daher neun Punkte hatte. Daraus ließ sich schlussfolgern, dass er unbesonnen und impulsiv war, was ich mir hoffentlich zunutze machen konnte. Doch Avery Mercer erweckte ganz den Eindruck, als ob er das im Interesse seines Mandanten zu verhindern wusste. Ich unterdrückte also ein Seufzen und sah mich nach einer Sitzgelegenheit um. An der Tür stand ein kleinerer Stuhl, den ich mir holte und am Fenster platzierte, dichter neben Faraday, als ihm vermutlich lieb war.
    » Gestatten Sie? Ich brauche ein bisschen Licht, damit ich meine Notizen lesen kann«, erklärte ich mit strahlendem Lächeln.
    Er rang zunächst ein wenig mit sich und schaute umher, wo ich mich sonst noch hätte hinsetzen können. Dann gewann schließlich wie erwartet doch seine Höflichkeit die Oberhand. » Bitte sehr. Nehmen Sie Platz, wo Sie möchten. Es gibt auch noch bequemere Stühle.«
    » Der hier ist vollkommen in Ordnung«, sagte ich und setzte mich zurecht, wobei der Stuhl ein wenig nachgab. » Ist er antik?«
    » Regency. Aber wenn er so lange gehalten hat, wird er dieses– wie sagten Sie?– informelle Gespräch wohl auch noch überstehen.«
    » Ich werde mich vorsehen.«
    Faraday lächelte höflich und warf dann seinem Anwalt einen verstohlenen Blick zu. Vermutlich wollte er herausfinden, ob es Anlass zur Sorge gab, dachte ich und nahm mir Zeit, bis ich meine erste Frage stellte.
    » Ich habe Sie aufgesucht, um mit Ihnen über Rebecca Haworth zu sprechen. Können Sie mir sagen, wie Sie sich kennen gelernt haben?«
    » Zum ersten Mal habe ich sie gesehen, als sie sich für das Studium in Oxford beworben hat. Ich führte das Bewerbungsgespräch. Das muss im Dezember vor ihrem Studienbeginn gewesen sein, also vor über zehn Jahren.« Er stutzte kurz. » Mir war gar nicht bewusst, dass das schon so lange her ist.«
    » Wie war denn Ihr erster Eindruck– können Sie sich noch daran erinnern?«
    » Sie war zweifelsohne sehr intelligent. Ausgesprochen sachkundig und belesen, dazu bewundernswert wach und interessiert. Genau das wünschen wir uns von den Studienanfängern. Man kann Studenten zwar Fakten vermitteln, aber wenn sie intellektuell nicht in der Lage sind, ihre eigenen Schlüsse daraus zu ziehen, sind sie in Oxford fehl am Platze.«
    » Und Rebecca konnte das?«
    » Auf jeden Fall. Ich weiß noch, wie beeindruckt ich von ihrem Selbstvertrauen war und dem Tempo, mit dem sie neue Impulse aufnahm. Viele junge Leute können es nicht ertragen, wenn man ihre Ansichten kritisch hinterfragt, aber sie hatte geradezu Freude am Diskurs. Ihre Zulassung zum Studium am Latimer College stand für mich außer Zweifel. Als sie dann im darauffolgenden Oktober dort anfing, hat sie sich aus meiner Sicht sehr schnell eingewöhnt.«
    » Und Sie waren ihr Tutor?«
    » Unter anderem. Wir waren drei Geschichtsdozenten und hatten die Lehre unter uns aufgeteilt. Rebecca belegte auch an anderen Colleges Seminare, und zwar in den Fächern, die wir selbst nicht abdecken konnten. Und natürlich gab es an der Geschichtsfakultät auch Vorlesungen. Aber ob sie daran regelmäßig teilgenommen hat, kann ich Ihnen leider nicht sagen, da diese im Wesentlichen wahlfrei waren.«
    Er zeigte sich so offen und freundlich, als hätte er nichts zu verbergen,

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