Der Brandstifter
probieren würde, obwohl sie die daraus resultierenden Einnahmen natürlich nicht verschmähte.
» Rebecca hat Sie ziemlich gelinkt, oder? Wollen Sie mir ernsthaft weismachen, dass Sie ihr deswegen nicht böse sind?«
» Damals war ich tatsächlich wütend auf sie«, antwortete er leise. » Ich habe sie mit allen erdenklichen Schimpfwörtern bedacht. Aber im Hinterkopf hatte ich trotzdem, dass wir uns vielleicht eines Tages unter anderen Umständen wiedersehen würden und ich ihr verzeihen könnte. Ich hätte doch nicht im Traum daran gedacht, dass sie sterben würde, ehe es dazu kommt.«
» Ihnen ist aber schon bewusst, dass Sie ein Motiv für den Mord an ihr haben?«
Er hob verblüfft die Brauen. » Aber sie wurde doch von diesem Serienmörder umgebracht. Wie wird er noch mal genannt– der Brandstifter?«
» Kann sein, kann aber auch nicht sein.« Ich ließ ihm kurz Zeit, darüber nachzudenken. » Möchten Sie mir noch etwas über Rebecca erzählen?«
» Ich glaube nicht.« Er stand auf, verschränkte die Arme und schaute aus dem Fenster. Als er dann sprach, klang es, als wäre er Tausende von Kilometern entfernt. » Wissen Sie, sie gehörte zu den Menschen, die lebendiger sind als alle anderen. Sie glühte geradezu. Als ich von ihrem Tod erfuhr, musste ich sofort an diese Zeilen aus Shakespeares Cymbeline denken. Sie sind zwar ein einziges Klischee, aber trotzdem sehr wahr. Kennen Sie das Stück?«
» Das wäre gelogen. Würden Sie mich bitte aufklären?«
Er lächelte betrübt. » Im Prinzip gern, aber im Herzen bin ich immer noch Pädagoge. Daher empfehle ich Ihnen– typisch Lehrer–, es selbst nachzulesen. Es ist das Totenlied aus dem vierten Akt.«
Der Anwalt war aufgestanden und begleitete mich in den Flur. Ehe er die Tür hinter sich schloss, warf er Faraday noch einen warnenden Blick zu, damit dieser blieb, wo er war. Er atmete schwer und starrte mich aus blutunterlaufenen Augen an, bevor er sprach.
» Ich muss Ihnen sicher nicht erst sagen, dass er kein Mörder ist. Er ist zwar ein Dummkopf, aber er hätte das Mädchen niemals umgebracht.«
» Dazu habe ich mir noch keine abschließende Meinung gebildet.«
» Doch, das haben Sie bestimmt, Sie wollen es mir nur nicht verraten.« Er lächelte mich wölfisch an. » Nun lassen Sie ihm doch seinen kleinen Seitensprung, DC Kerrigan. Es war ganz bestimmt sein letzter.«
» Glauben Sie das wirklich? Meiner Erfahrung nach hört keiner nach einem kleinen Seitensprung auf. Das wird schnell zur Gewohnheit.«
Er zuckte die Schultern. » Aber das geht doch nur die beiden Eheleute etwas an, oder?«
Ich wollte gerade antworten, da klapperten auf dem Weg zum Haus Absätze, und die Haustür wurde aufgeschlossen. Instinktiv trat ich einen Schritt zurück, als die Tür sich auftat und Delia Faraday erschien. Sie war noch schmaler und attraktiver, als ich erwartet hatte. Wenn ihre Mimik so funktioniert hätte wie von der Natur vorgesehen, hätte sie sich sicher zu einem höhnischen Grinsen verzogen.
» Wer zum Teufel ist das denn?«
Mercer war so aalglatt, dass er nach außen völlig gelassen wirkte. » Nicht so wichtig, Delia. Nur jemand aus der Buchhaltung.«
» Und was hat sie dann in meinem Haus verloren? Würden Sie vielleicht mal Platz machen?« Sie rauschte an mir vorbei und verschwand in dem Zimmer, das wir soeben verlassen hatten.
Ich überlegte kurz, ob ich ihr folgen und mit gezücktem Dienstausweis genau erklären sollte, weshalb ich hier war. Aber ohne Not so brutal zu Werke zu gehen, brachte ich dann doch nicht fertig.
» Danke«, gab mir Mercer wortlos zu verstehen, woraufhin ich ihm wenig freundlich zunickte und mich zum Gehen wandte.
Ich verließ Caspian Faradays Haus in der sicheren Gewissheit, mir keinesfalls die Mühe zu machen, im vierten Akt von Cymbeline nachzuschlagen, nur um mir unter die Nase reiben zu lassen, wie wunderbar gebildet er war. Aber man kommt eben doch nicht gegen seine Natur an. Nachts um halb drei stand ich auf, setzte mich an den Computer und recherchierte mindestens ebenso widerwillig wie neugierig besagtes Totenlied. Als ich es fand, verstand ich sofort, was er gemeint hatte.
Jungmann und Jungfrau, goldgehaart,
Zu Essenkehrers Staub geschart.
Als ich am nächsten Tag in der Einsatzzentrale saß, gingen mir diese Zeilen wieder durch den Kopf, während ich meinen Stift in den Händen drehte und ins Leere starrte. Zu Staub geschart. Staub zu Staub, Asche zu Asche. Womit ich also über zwei Ecken wieder beim
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