Der Brandstifter
Thema Verbrennen angelangt war. War es vorstellbar, dass Caspian Faraday Rebecca zu Tode prügelte? War es denkbar, dass er alles minutiös so arrangiert hatte, dass es dem Tatmuster des Brandstifters entsprach? Erstaunlicherweise konnte ich mir beides vorstellen, vor allem den zweiten Teil. Dieses Haus in Highgate hatte etwas seltsam Theatralisches an sich. Die epochengerecht ausgewählten und sorgsam arrangierten Möbel strahlten Befangenheit aus– sie wirkten wie in guten alten Zeiten, als Männer noch richtige Männer waren und die Frauen sich um Heim und Herd kümmerten. Im Berufsleben war er höchst akribisch und detailversessen, und ich konnte mir gut vorstellen, dass er Freude daran hätte, für die Polizei eine Aufführung zu inszenieren. Vermutlich würde es ihn köstlich amüsieren, uns zum Narren zu halten. Und ungeachtet seines angeblichen Deals mit Rebecca hatte er auf jeden Fall ein Motiv, sich ihren Tod herbeizuwünschen.
» Du wirkst gestresst.« Rob ließ sich auf den Stuhl neben mir fallen und streckte sich ausgiebig.
» Ich denke nach. Das ist dir wahrscheinlich nicht so geläufig«, antwortete ich bissig.
» Ach, das wird doch alles überbewertet.« Er reichte mir ein paar zusammengeheftete Blätter. » Du wolltest doch Gil Maddicks Polizeiakte. Eins muss man dir lassen– einen guten Riecher hast du.«
In Windeseile blätterte ich die Seiten durch und musste dabei immer breiter grinsen. » Du ahnst es nicht. Seine Exfreundin hat vor vier Jahren ein richterliches Kontaktverbot gegen ihn erwirkt.«
» Ich weiß«, erwiderte er geduldig. » Hab’s schon gelesen. Dagegen hat er dann verstoßen, ist bei ihr zu Hause aufgetaucht und wurde deswegen verhaftet.«
Allerdings wurde er sehr nachsichtig behandelt. Er bekannte sich schuldig, zahlte eine Geldstrafe und musste nicht ins Gefängnis. Ich legte die Blätter hin. » Wusste ich’s doch, dass mit ihm was faul ist. Sieht ganz danach aus, als hätte er ein Gewaltproblem. Da waren meine Zweifel an seiner Erklärung für Rebeccas gebrochenen Wangenknochen offenbar gar nicht so daneben.«
» Kann bestimmt nicht schaden, wenn wir da noch mal nachhaken. Wir sollten dieser Chloe Sandler wohl einen Besuch abstatten, was?«
» Unbedingt.«
Die in Gil Maddicks Polizeiakte angegebene Adresse von ihr stimmte noch. Ein kurzer Anruf genügte, um herauszufinden, dass sie zu Hause war, gern mit uns reden wollte und sich sehr kooperativ anhörte. Noch kooperativer zeigte sie sich, als sie Rob erblickte, der an dem Tag hinreißend ungepflegt aussah. Bei dieser Vernehmung hielt ich mich eher im Hintergrund. Ich setzte mich auf einen Stuhl neben der Tür und überließ es Rob, neben Chloe auf dem weißen und viel zu weichen Sofa Platz zu nehmen.
Rob erklärte ihr zunächst, wer wir waren und worüber wir mit ihr reden wollten. Währenddessen ließ ich meinen Blick durch ihr Wohnzimmer schweifen. Chloe war 31, ging aber– nach ihrer DVD -Sammlung aus romantischen Komödien und dem ganzen süßen Kitsch überall zu urteilen– straff auf die 13 zu: Auf dem Kaminsims musizierte ein putziges Katzenorchester auf winzigen Instrumenten, auf dem Fensterbrett saß ein Emaille-Frosch neben einer kristallbesetzten und unglaublich hässlichen Eidechse, und oben auf dem Fernseher marschierte eine gläserne Pinguinfamilie. Chloe selbst war hübsch und hatte große, weit auseinanderliegende Augen, ein herzförmiges Gesicht und eine Zwanzigerjahre-Bobfrisur. Sie hatte eine hauchige Stimme und sprach so leise, dass ich mich anstrengen musste, sie zu verstehen.
» Ich habe seit Jahren nichts mehr von Gil gehört. Also, nach der Gerichtsverhandlung hatte ich ihn zwar angerufen, weil ich mich für die Unannehmlichkeiten entschuldigen wollte, aber abgesehen davon hatte ich nie wieder Kontakt zu ihm.«
» Ein Belästigungsverbot wird doch aber nicht ohne Grund verhängt«, entgegnete Rob sanft. » Dafür gab es doch bestimmt einen Anlass. Würden Sie uns bitte berichten, was in dieser Hinsicht vorgefallen ist?«
Sie blinkerte ihn treuherzig an, und ich hätte sie am liebsten gebeten, sich ein bisschen zu beeilen.
» Ich habe bestimmt überreagiert. Ich meine, so was kann schon mal vorkommen, oder? Aber meine Mitbewohnerin damals war politisch sehr engagiert, so eine richtige Feministin. Sie ist immer zu diesen Demos und solchen Sachen gegangen. Sie hat mich überredet, ihn anzuzeigen.«
» Was war denn das Problem?«
» Wir waren seit ein paar Monaten zusammen.« Ein
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