Der Brandstifter
sie Hunger gehabt hatte, ansonsten hatte sie eher Flüssignahrung bevorzugt. Die ausgewogene Ernährung einer lebenslustigen jungen Singlefrau. Sie war im PR -Bereich tätig gewesen, hatte uns Louise berichtet, und häufig auch abends mit Kunden unterwegs. Daher wäre es für sie sinnlos gewesen, Lebensmittel einzukaufen, die dann ohnehin nur schlecht wurden. Wenn ich allein leben würde, wäre das bei mir wohl ganz ähnlich. Aber Ian bestand darauf, allwöchentlich den Supermarkt zu durchforsten, wo wir hyperaktive Kleinkinder und Seniorinnen, die ihren Wagen im Schneckentempo schoben, umschifften, auf der Suche nach seiner bevorzugten Pasta-Fertigsoße, seinem edlen Lieblingswein zum Sonderpreis und seinem überteuerten, makellos aussehenden und nach absolut nichts schmeckenden Gemüse. Ich habe mehr mit dem Opfer gemeinsam als mit meinem eigenen Freund, musste ich plötzlich denken und mich zwingen, die übrige Küche unter die Lupe zu nehmen, indem ich sämtliche Schränke öffnete und in alle Schubladen schaute.
Alles war perfekt sortiert. Die Weingläser standen tadellos in Reih und Glied und noch dazu der Größe nach geordnet. Das Besteck glänzte, ebenfalls perfekt sortiert, in den Schubladen. Neben dem Herd hing ein sauberes Geschirrhandtuch, das alte wirbelte vermutlich gerade in der Waschmaschine herum. Wiederum konnte ich nicht feststellen, was Rebeccas Werk gewesen war und was Louise in der Wohnung geordnet hatte.
Ich übergoss die Teebeutel mit kochendem Wasser und dachte über Rebeccas Freundin nach. Louise kam mir merkwürdig vor, aber andererseits hatte Trauer oft seltsame Auswirkungen auf die Menschen. Obwohl sie nach eigener Aussage eine große Aufräumaktion hinter sich hatte, war sie wie aus dem Ei gepellt und tadellos frisiert. Da sie bislang so gefasst gewirkt hatte, war ich erschrocken, sie in Tränen aufgelöst vorzufinden, als ich mit Teetassen, Milch und Zucker auf dem Tablett wieder ins Wohnzimmer kam. Sam sah mich hilflos an und schüttelte den Kopf, als ich lautlos fragte: » Was hast du gemacht?«
» Alles in Ordnung, Louise?«, erkundigte ich mich sanft und stellte eine Tasse vor ihr auf den Tisch.
» Ja«, antwortete sie hinter ihren vor das Gesicht geschlagenen Händen. » Ich bin nur… es geht gleich wieder.«
Ich setzte mich und reichte Sam eine Tasse und anschließend die Zuckerdose, woraufhin ich mit Missfallen beobachtete, wie er deren Inhalt fast komplett in seinen Tee kippte.
» Wir haben gerade über ihr letztes Treffen mit dem Opfer gesprochen«, flüsterte er heiser. » Die beiden waren vor ein paar Wochen zusammen essen. Seitdem hatte sie nichts mehr von ihr gehört und sich deshalb Sorgen gemacht.«
Louise murmelte etwas, stand auf und ging aus dem Zimmer. Ich reckte den Kopf und hörte, wie eine Tür geschlossen wurde und anschließend Wasser in ein Waschbecken lief.
» Bisschen komisch, oder?« Sam deutete mit dem Daumen in Richtung Tür.
» Kein Wunder, würde ich sagen. Immerhin hat sie gerade erfahren, dass ihre beste Freundin ermordet wurde.«
» Nein, das meine ich nicht. Wer geht denn in eine fremde Wohnung– von jemandem, den er über einen Monat nicht gesehen hat– und macht dort Klarschiff? Das würde mir nicht im Traum einfallen, dir vielleicht?«
» Nein, sicher nicht, und ich hätte auch keine Lust auf solche Putzaktionen, aber ich bin ja schließlich nicht Louise North. Sie meinte, das sei bei ihnen üblich gewesen. Vielleicht hat sie das ja regelmäßig für Rebecca gemacht.«
Unruhig stand ich auf und sah mich im Zimmer um. Das war schnell erledigt, denn der Raum war recht übersichtlich eingerichtet. Die Wände waren in unverfänglichem Magnolienweiß gestrichen, das Ian immer abfällig Mietwohnungsbeige nannte. Der kleine Esstisch an der Wand, wo Louise auf einem der beiden Stühle gesessen hatte, war leer. Besonders einladend wirkte die Wohnung nicht, aber nach dem Inhalt ihres Kühlschranks zu urteilen, war Rebecca Haworth auch nicht der Typ, permanent aufwändige Dinnerpartys zu veranstalten. Neben dem Sofa stand ein niedriger Tisch mit einer Lampe darauf und Fernbedienungen für Fernseher, DVD -Player und Musikanlage. Es war kein einziger persönlicher Gegenstand vorhanden– nicht einmal eine Zeitschrift. Kein Hinweis auf den Geschmack der Toten. Der Fernseher war ziemlich groß und stand gegenüber vom Sofa, mit der Rückseite zur Balkontür. Die führte auf einen winzigen Austritt, wo nichts auf Blumenkästen oder sonstige Deko
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