Der Brandstifter
gegangen.«
Trotzdem fiel mir auf, dass sie jeglichen Dialekt ebenso abgelegt hatte wie ihr langes mattbraunes Haar, das jetzt von blonden Strähnchen durchzogen und gekonnt gestuft war.
» Und, wie war es so in Oxford?«, fragte Sam in seinem onkelhaftesten Ton.
» Es hat mein Leben verändert.«
Kann ich mir vorstellen, dachte ich bei mir und sah auf ihre Schuhe, die wahrscheinlich mehr gekostet hatten, als ich pro Woche verdiente. Sie hatte die staatliche Schule sehr weit hinter sich gelassen und hütete sich zurückzuschauen.
» Wie haben Sie Rebecca eigentlich kennen gelernt?«
Mit erhobenem Kopf schaute sie mich an, als wäre sie auf diese Frage gefasst gewesen. » Wir sind uns im ersten Studienjahr gleich am ersten Tag begegnet. Wir haben uns eine Wohneinheit geteilt– sie bestand aus einem gemeinsamen Wohnbereich und zwei separaten Schlafzimmern«, erklärte sie, als sie meinen fragenden Blick bemerkte. » Ich hätte anfangs nicht gedacht, dass wir miteinander auskommen würden. Ich nahm an, dass sie Besseres zu tun hätte, als sich mit mir abzugeben. Aber sie hat mich aufgelesen und mich in ihre Welt eingeführt.« So wie Louise das sagte, klang es noch immer fast ungläubig. » Ich wäre wahrscheinlich nicht die, die ich heute bin, wenn ich nicht mit ihr zusammengewohnt hätte. Mir war von Anfang an klar, dass diese Freundschaft ein ganzes Leben halten würde.«
Tja, da hatte sie in der Tat Recht. Nur dass das Leben der einen deutlich kürzer ausgefallen war als gedacht. Ich sah, wie ein Schatten über ihr Gesicht huschte, weil sie vermutlich das Gleiche dachte, und ging daher rasch zu etwas anderem über.
» Louise, können Sie mir sagen, wer das hier ist?« Ich deutete auf die letzte gerahmte Fotografie– Rebecca und ein Mann zusammen am Strand mit eng aneinander geschmiegten Gesichtern und vom Wind zerzaustem Haar. Er hielt die Kamera in der ausgestreckten Hand, und die beiden lachten mit leuchtenden Augen in die Linse.
Louise beugte sich vor, um das Bild zu betrachten. Als sie sich wieder aufrichtete, formten ihre Lippen eine schmale Linie. » Das ist Gil. Gil Maddick. Er war zwei– nein, zweieinhalb Jahremit ihr zusammen.«
» Haben sie sich getrennt?«
Sie verzog das Gesicht. » Letztendlich ja. Aber es war eigentlich von Anfang an aussichtslos. Er war… total vereinnahmend. Er wollte niemand anderen in Rebeccas Leben dulden.«
» Dann hat er sie wohl ausgeschlossen, oder?«, erkundigte sich Sam.
» Zumindest hat er es versucht.«
» Und wann haben sich die beiden getrennt?«
Sie zuckte die Schultern. » So vor sechs Monaten? Vielleicht ist es auch noch nicht so lange her. Ich weiß es nicht genau; da müssen Sie ihn fragen. Wir haben uns nicht besonders gut verstanden, deshalb hat Rebecca mit mir kaum über ihn geredet.«
» Worüber haben Sie denn miteinander geredet?«, wollte Sam wissen.
» Über alles andere. Sie war wie eine Schwester für mich. Uns gingen nie die Gesprächsthemen aus.«
Wie eine Schwester oder vielleicht sogar mehr? Louise war eifersüchtig auf Rebeccas Partner gewesen. Ich fragte mich, ob sie sich vielleicht unterschwellig zu ihrer Freundin hingezogen fühlte– oder das sogar ausgesprochen hatte und ihre Gefühle unerwidert blieben.
» Und was geschah dann?«
» Wie meinen Sie das?«
» Sie sagten, dass Sie eine Zeitlang nichts von ihr gehört haben. Wie kam das denn?«
» Ich weiß nicht. Ich habe versucht, sie zu erreichen, aber das hat nicht geklappt. Ich nahm an, dass sie viel zu tun hatte.« Der Tonfall der Juristin war zwar nach wie vor freundlich, hatte aber ein klein wenig an Schärfe zugelegt. Es gefiel ihr ganz und gar nicht, dass man ihr Bild von einer engen, ungetrübten Freundschaft beschädigte. Immerhin hatte sie uns erzählt, dass Rebecca sie– bewusst oder unbewusst– aus ihrem Leben ausgeschlossen hatte. Offensichtlich wusste sie über ihre Freundin in letzter Zeit kaum mehr als ich. Ich sollte mich also besser einem Thema zuwenden, über das sie mir auf jeden Fall Auskunft geben konnte.
» Was haben Sie vorgefunden, als Sie in die Wohnung gekommen sind?«
» Nichts«, antwortete Louise leicht zögernd, als wüsste sie nicht, was sie auf diese Frage antworten sollte.
» Ich meine, wie wurde die Wohnung zurückgelassen? Ich möchte, dass Sie mir genau schildern, was Sie geputzt haben.« Ich machte eine raumgreifende Geste. » Wenn Sie nicht aufgeräumt hätten, könnten wir Rückschlüsse darauf ziehen, was passiert ist, bevor
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