Der Brandstifter
denn eigentlich mit ihr passiert?«
Statt einer Antwort tippte Sam auf den Evening Standard, der vor Aaron lag. Die Seite mit dem Sudoku-Rätsel, das fast vollständig gelöst war, lag oben. » Schon mal einen Blick auf die Titelseite geworfen?«
» Nein, doch nicht das– doch nicht die Frau, die heute Morgen gefunden wurde? O mein Gott.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, sein Mund stand offen, und er atmete kurz und flach. Ich fürchtete, dass er gleich in Ohnmacht fallen könnte, und schaltete mich schnell ein.
» Aaron, wäre es möglich, dass wir uns in Miss Haworths Apartment einmal umsehen? Könnten Sie uns einen Schlüssel dafür geben?«
Er konnte mehr als das. Er gab mir den Hauptschlüssel, der für alle Türen im Gebäude passte, und beschrieb mir den Weg zu ihrer Wohnung in der dritten Etage.
» Ich würde ja mitkommen, aber ich kann meinen Posten hier nicht verlassen.« Er klang sehr betrübt und war schon fast versucht, ausnahmsweise seine Vorschriften zu missachten, um uns zu begleiten.
» Keine Sorge«, beruhigte ich ihn hastig. » Wir finden uns schon zurecht.« Sam hatte bereits den Aufzug gerufen, und ich rannte quer durch das Foyer zu ihm hinüber, damit der Wachmann es sich nicht doch noch anders überlegte. Die Fahrstuhltüren schlossen sich, und drinnen musste ich mich wohl oder übel in den verspiegelten Wänden betrachten. Es gab kein Entrinnen; das Abbild meiner zerknitterten Sachen und meiner widerspenstigen Haare war allgegenwärtig, in welche Richtung ich mich auch drehte. Sam, der in seiner Allwetter-Ausrüstung aus kurzärmeligem Polyesterhemd und braunem Anorak wie üblich an einen wandelnden Kartoffelsack erinnerte, schien das nicht weiter zu kümmern. Ich entschied mich dafür, auf meine Füße zu starren, da das die einzige Stelle war, bei der ich sicher sein konnte, nicht meinem eigenen Blick zu begegnen. Im Blue Building zu wohnen wäre für mich ein Ding der Unmöglichkeit gewesen, selbst wenn ich es mir hätte leisten können. Mir mindestens zweimal am Tag in derart schonungsloser Detailgenauigkeit gegenüberzustehen, konnte ich nicht ertragen. Wenn ich schon katastrophal aussehen musste, war das zwar unerfreulich, aber ich wollte es wenigstens nicht zur Kenntnis nehmen müssen.
In der dritten Etage fanden wir am Ende des Korridors Rebecca Haworths Wohnung. Die Eingangstür war genauso nichtssagend und anonym wie all die anderen, an denen wir zuvor vorbeigekommen waren. Ich zögerte und überlegte, ob ich anklopfen sollte, doch der Wachmann hatte uns gesagt, dass sie allein gelebt hatte, und wir wussten ja nur allzu genau, dass sie nicht zu Hause war. Ich schob also den Schlüssel ins Schlüsselloch und drehte ihn um, woraufhin sich die Tür zu einem kleinen Flur öffnete. Als ich hineingehen wollte, ergriff Sam meinen Arm und hielt mich zurück. Mit dem Kopf machte er eine Bewegung, als wollte er sagen: »Hör mal…«
Was ich als Erstes hörte, war das Geräusch einer heftig rotierenden Waschmaschine. Dann, im Hintergrund, vernahm ich ein Summen. Eine Frauenstimme, hell und sympathisch, summte eine Melodie, die mir vage bekannt vorkam. Absätze klapperten auf dem Parkettfußboden, und bevor Sam oder ich etwas sagen konnten, öffnete sich eine Tür am anderen Ende des Flures. Im Türrahmen stand eine Frau in einem Businesskostüm, das um ein Vielfaches teurer gewesen sein musste als meins. Sie hielt ein Staubtuch in der Hand, und ihr Mund stand offen. Das Summen hatte aufgehört, wie mir auffiel. Man musste kein Genie sein, um zwischen beiden Beobachtungen einen Zusammenhang herzustellen.
» Wer sind Sie?«
Synchron hatten wir die gleiche Frage gestellt. Ihre Stimme war höher als meine, ihr Ton jedoch genauso scharf.
» Polizei«, sagte Sam ruhig. » Kriminalpolizei.« Er hielt ihr seinen Dienstausweis zur Begutachtung hin, und sie gehörte zu den wenigen Menschen, die tatsächlich danach griffen und ihn sich ansahen. Danach musterte sie mich und wartete mit ausgestreckter Hand auf meinen Ausweis.
» Und Sie sind?«, fragte ich spitz, während ich ihn ihr reichte.
Sie ließ sich Zeit und studierte sorgfältig die Angaben auf meinem Ausweis, bevor sie antwortete, was ebenfalls außergewöhnlich war. » Louise North. Rechtsanwältin bei Preyhard Gunther. Ich habe meinen Führerschein in der Handtasche, falls ich mich ausweisen soll.«
» Wir glauben Ihnen fürs Erste«, sagte Sam. » Wir suchen die Wohnung von– also, das hier ist doch die Wohnung von
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