Der Brandstifter
eine persönliche Note wartete.
Eine Ausnahme gab es. Das Bild über dem Kaminsims. Es war ein wunderbar abstraktes Gemälde eines mit lebhaften Strichen gestalteten Wirbels aus Blau- und Grautönen mit Weiß, der mich immer an strömendes Wasser erinnerte. Es handelte sich um ein Original, erworben direkt vom Künstler für einen utopischen Preis, den es mehr als wert war. Ich hatte es bei einer Kunstmesse in der Brick Lane gesehen und auf den ersten Blick gemocht. Aber gekauft hatte ich es nicht und hätte es auch nie im Leben getan. Es wäre mir als reine Geldverschwendung erschienen, Tausende für ein einziges Bild auszugeben, wo doch Reproduktionen ganz billig zu haben waren.
Rebecca, die mich mit auf diese Kunstmesse geschleppt hatte, sah das allerdings ganz anders.
» Wenn es erst mal an der Wand hängt, wirst du es toll finden. Das ist was für die Ewigkeit«, hatte sie prophezeit. » Ich würde es dir gern kaufen, als Einzugsgeschenk.«
Ich war unschlüssig gewesen. Selbst für Rebeccas Verhältnisse war es ein sehr exquisites Geschenk. Ich hatte sie weitergezogen und sie mit einer schmiedeeisernen Skulptur abgelenkt, die keiner von uns beiden mochte.
Und doch war ich kein bisschen überrascht gewesen, als am darauffolgenden Samstagmorgen das Paket geliefert wurde– ein ungerahmtes Leinwandbild, eingepackt in zahllose Lagen von braunem Papier und Luftpolsterfolie. Dabei lag eine Notiz des Künstlers, dass der Titel des Bildes lautete Ohne Titel: Blue XIX und er hoffe, dass ich Freude daran haben würde, es zu besitzen.
Das war gar kein Ausdruck dafür. Ich hatte mich regelrecht verliebt in das Bild. Doch auf ganz seltsame Weise hatte ich nie das Gefühl, dass es wirklich mir gehörte. In meinen Augen war es immer Rebeccas Bild, gewissermaßen eine Fortsetzung ihrer Persönlichkeit in Öl auf Leinwand. Es vermittelte den Eindruck von schneller Bewegung und vor allem von Freude. Das war nicht ich, sondern sie.
Ich öffnete meine Tasche, zog den Reißverschluss der Innentasche auf und legte langsam und bedächtig eine Reihe von Gegenständen vor mir auf den Tisch.
Einen goldenen Armreif, schmal und filigran.
Einen rosaroten Chanel-Lippenstift.
Einen flachen Schminkspiegel mit metallic-grauem Gehäuse.
Einen eleganten schwarzen Stift, auf einer Seite GKM eingraviert.
Ein Parfüm-Flacon, noch zu zwei Dritteln gefüllt.
Einen leuchtend rosafarbenen gebundenen Notizkalender.
Ein paar altmodische, zweischneidige Rasierklingen in einem Umschlag.
Ein Papierröllchen mit ein wenig weißem Pulver.
Langsam, wie im Traum, schob ich mir den Armreif über das Handgelenk, wo er schwerelos hing wie ein Haar. Ich streckte meinen Arm aus und beobachtete, wie der Reif hinunterglitt, so wie ich es bei Rebecca immer gesehen hatte. Ich nahm das Parfüm und sprühte etwas davon in die Luft. Der frische Blütenduft erfüllte den Raum und erinnerte mich an wehendes blondes Haar, an ein Lächeln, das ein ganzes Zimmer erhellte, an einen Sommer mitten im Winter. Ich nahm den Spiegel und den Lippenstift und schminkte mir den Mund. Während ich den Schwung meiner Unterlippe nachzog, versuchte ich auf der zerkratzten und staubigen Glasfläche etwas zu erkennen. Es war ein weiches Rosé. Meine Haut war blass, meine Augen dunkel, die Pupillen geweitet, erstaunt, dem eigenen Spiegelbild zu begegnen. Rasch klappte ich den Spiegel wieder zu.
Inzwischen würde die Polizei Rebeccas Eltern benachrichtigt haben. Nun wussten sie zwar, was geschehen war, aber weder wie noch warum. Sie würden es ebenso schwer fassen können wie ich, dass sie nicht mehr da war. Ich ahnte, wie groß ihre Trauer war, obwohl ich mich nicht in der Lage fühlte, mit ihnen zu sprechen. Aber ich wusste, dass ich es trotzdem tun musste. Mit zusammengepressten Knien und in den Teppich gekrallten Zehen setzte ich mich auf die unterste Treppenstufe. Meine Hände zitterten nicht, selbst als ich die Nummer wählte, die ich besser kannte als meine eigene. Der goldene Armreif tanzte und zitterte an meinem Arm, und an meinem Ohr hörte ich die tiefe Stimme von Rebeccas Vater: Hallo, meldete er sich. Hallo, sagte ich ebenfalls und brachte keinen weiteren Ton heraus, weil der erdrückende Schmerz, die bleischwere Last des Kummers in meiner Brust mich am Atmen hinderte. Doch schließlich, allmählich, unbeholfen, fand ich die Worte.
4
Maeve
Sam hatte noch exakt dreißig Sekunden, als er, den Blick demonstrativ auf seine Armbanduhr geheftet, die Stufen des Blue
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