Der Brandstifter
solltest. Und außerdem habe ich Maureen gesagt, dass ich dich sowieso nie erreiche…« Der AB piepte erneut, und wohltuende Stille breitete sich aus. Ich verdrehte die Augen und floh aus dem Zimmer, als das Telefon schon wieder klingelte. Ich dachte gar nicht daran, den Hörer abzunehmen. Sollte sie erst einmal zu Ende schwafeln.
Doch ich nahm mir fest vor, sie am nächsten Tag anzurufen. Ich hoffte nur, dass sie nicht wieder darauf herumhackte, dass ich Polizistin war. Ich arbeitete jetzt seit fünf Jahren in diesem Job, und sie hatte sich noch immer nicht daran gewöhnt; nicht zuletzt deshalb, weil es in Irland ein paar Cousins von mir gab, die mit den britischen Behörden nicht so viel am Hut hatten. Vermutlich waren sie nicht gerade Mitglied der IRA , gehörten aber als bekennende Nationalisten zu denen, die den kompletten Text von Liedern wie » A Nation Once Again« auswendig kannten und aus dem Kopf die Unterzeichner der Oster-Proklamation von 1916 in der korrekten Reihenfolge aufsagen konnten. Mum hatte meinen Berufswunsch so lange wie möglich geheim gehalten und immer gehofft, dass ich es mir noch einmal anders überlegen würde. Noch heute mied sie dieses Thema in unserer Verwandtschaft. Ich hatte im Laufe der Zeit gelernt, mir nichts daraus zu machen, aber gelegentlich setzte es mir doch zu. Denn es geht eben doch nichts über Eltern, die stolz auf einen sind.
In der Küche machte ich mir erst mal einen Tee, sodass mir Ians Nachricht an der Kühlschranktür erst auffiel, als ich meine Tasse schon halb ausgetrunken hatte. In seiner engen, unleserlichen Handschrift stand dort: Deine Mutter hat angerufen. Ruf sie bitte zurück. Der zweite Satz war unterstrichen. Armer Ian. Sie mochte ihn nicht sonderlich. Es missfiel ihr, dass wir zusammenwohnten und er nicht katholisch war. Noch schlimmer war aber, dass er sich überhaupt keiner Religion zugehörig fühlte– mit einem ungeliebten Protestanten hätte sie sich vielleicht sogar arrangieren können. Aber mit den Gottlosen würde sie niemals einer Meinung sein. Ich fragte mich, wie das Telefonat der beiden wohl abgelaufen war. Immerhin beschwerte sich Mum immer wieder bei mir, dass Ian nie mit ihr redete, wenn sie anrief und er ranging. Stattdessen warf er mir augenblicklich das Telefon zu, wenn er ihre Stimme am anderen Ende hörte. Obwohl der weiche irische Dialekt, den sie auch nach 30 Jahren in England nicht abgelegt hatte, gelegentlich ihre bissige Art überdeckte, musste man sich doch immer davor in Acht nehmen. Sie konnte einem schon ziemlich zusetzen mit ihrer spitzen Zunge. Ich schauderte. Nein, heute Abend war ich ihr definitiv nicht gewachsen.
Ich ging unter die Dusche in der Hoffnung, dass mich das ein bisschen belebte. Dabei nahm ich mir wohl mehr Zeit als gedacht, denn noch ehe ich mich angezogen hatte, klingelte es an der Tür. Hastig hüllte ich mich in ein Handtuch, tappte die Treppe hinunter und öffnete, wobei ich mir sehnlichst wünschte, das Handtuch wäre ein Stück länger.
Nur Rob hatte damit ganz und gar kein Problem. Als ich ihn einließ, spitzte er die Lippen zu einem lautlosen Pfeifen, während er in einer Hand zwei Pizzakartons balancierte. Die Ordner hatte er sich unter den Arm geklemmt, und in der anderen Hand trug er eine Tüte mit zwei Sixpacks Bier. Es war komisch, ihn außerhalb des gewohnten Umfelds zu sehen, und ich ertappte mich dabei, wie ich ihn anstarrte, als hätte ich ihn noch nie zuvor gesehen. Breitschultrig stand er vor mir, und seine strahlend blauen Augen musterten mich interessiert von Kopf bis Fuß.
Mit seinen ersten Worten jedoch war das Eis gebrochen. » Hübscher Fummel. Wird mir bloß nicht sehr helfen, mich auf den Fall zu konzentrieren.«
» Stirb, du Unhold.« Da die Pizzakartons stark absturzgefährdet waren, rettete ich sie und nahm sie schon mal mit nach oben– in der Hoffnung, dass mein Anblick auf der Treppe nicht allzu freizügig war.
» Oha.« Er blieb an der Wohnzimmertür stehen und sah sich mit unverhohlener Neugier um. » Ich hätte gar nicht gedacht, dass du so designermäßig drauf bist, Maeve.«
Auf solche Räume standen Ians Freunde total – großzügig geschnitten, ausgestattet mit extravaganten Möbeln und Fundobjekten (wie Ians Innenarchitektin sie nannte) an den Wänden, die für meine Mutter – und in gewisser Weise auch für mich – wie Schrott aussahen. Ich sah mich um und versuchte mir vorzustellen, wie das alles wohl auf Rob wirken mochte. Ziemlich großspurig
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