Der Brandstifter
Schäler und sonstigen abseitigen Küchengerätschaften gab ich schließlich auf.
» Hast du vielleicht einen Flaschenöffner dabei?«
» Am Schlüsselbund.«
» Warum überrascht mich das jetzt nicht?«
» Tja, ich bin eben auf alle Eventualitäten vorbereitet.« Er nahm mir das Bier aus der Hand und machte es auf.
» Tja, für ein kühles Bier ist dir eben kein Weg zu weit.«
» Das auch.« Schwungvoll zog er einen der Küchenstühle hervor. » Bitte setzen Sie sich, Madame, und schlagen Sie zu, ehe ich alles wegesse.«
Ich hatte gar nicht gemerkt, wie hungrig ich war, aber bei den ersten Bissen überkam mich ein Riesenappetit. Ich dachte nicht mehr an die Morde, selbst Rob vergaß ich beinahe und widmete mich voll und ganz meiner Pizza. Nur hin und wieder murmelte ich kauend: » O Mann, ist das lecker.« Beim letzten Stück kapitulierte ich allerdings nach der Hälfte und legte es seufzend zurück in den Karton.
» Ich hab viel zu viel gegessen, aber das war’s definitiv wert.«
» Zumindest hast du jetzt wieder ein bisschen mehr Farbe im Gesicht.« Er war schon längst fertig mit seiner Pizza und beobachtete mich quer über den Tisch, während er ununterbrochen seine leere Bierflasche kreiseln ließ.
» Also, dann müssen wir wohl mal weitermachen«, sagte ich unvermittelt, weil ich mich plötzlich unbehaglich fühlte. Zurück zur Tagesordnung.
Er stand auf und streckte sich. » He, ein bisschen mehr Begeisterung bitte! Schließlich warst du diejenige, die sich unbedingt Arbeit mit nach Hause nehmen wollte.«
» Ja, aber ich weiß gerade gar nicht mehr, wieso eigentlich.«
» Weil du die beste Kommissarin der Welt werden willst«, säuselte Rob. Ich ignorierte ihn und steuerte zwecks Biernachschub den Kühlschrank an. Die Pizzakartons ließ ich auf dem Tisch liegen; ein bisschen Unordnung würde schon niemanden umbringen. Und außerdem hatte ich später noch genug Zeit zum Aufräumen, bevor Ian nach Hause kam.
Wir ließen uns nebeneinander auf dem Sofa im Wohnzimmer nieder. Ich schlug die Akten auf und legte sie wie Spielkarten auf dem Couchtisch aus, jeweils die erste Seite aufgeschlagen, die ein Foto der betreffenden Toten zeigte. Vier Damen auf der Hand und trotzdem ein denkbar schlechtes Blatt. Eigentlich sogar fünf, wenn man Rebecca Haworth mitrechnete. Sie hatte noch keine eigene Akte, aber diesen Fall hatte ich gut genug im Gedächtnis, um das Wenige einzubringen, was wir darüber wussten. Ich betrachtete die Gesichter der Toten und kämpfte gegen die Panik an, die in mir aufstieg. Er war noch immer da draußen unterwegs, schwelgte in Erinnerungen an seine Mordtaten und bereitete vermutlich seinen nächsten Angriff vor. Wenn wir nicht riesengroßes Glück hatten oder er unvorsichtig wurde, würden wir ihn wohl nie fassen. Und beides war bislang eher unwahrscheinlich. Mit jeder Sekunde rückte der nächste Mord näher. Wir durften keine Zeit verlieren.
» Da wir überhaupt nichts über unseren Mörder wissen, müssen wir bei den Opfern anfangen«, erklärte ich, so zuversichtlich es eben ging. » Was haben sie gemeinsam, abgesehen vom Augenfälligen?«
» Wir sollten sie uns der Reihe nach ansehen«, begann Rob und warf hin und wieder einen Blick in die entsprechende Akte, um Einzelheiten nachzusehen. » Opfer Nummer eins ist Nicola Fielding, 27, getötet in den frühen Morgenstunden des 18. September, das war ein Freitag. Ihre Leiche wurde am südwestlichen Ende des Larkhall Park gefunden, nur ungefähr einen Kilometer von ihrer Wohnung in Clapham entfernt. Blaue Augen, langes braunes Haar, hohe Absätze und sehr knapper Minirock, todschick– im wahrsten Sinne des Wortes. Aber Nicola war eigentlich grundanständig. An jenem Abend war sie zum Junggesellinnenabschied ihrer besten Freundin eingeladen; sie feierten in einem Nachtclub in Clerkenwell. Normalerweise kam sie nie so spät nach Hause. Ursprünglich stammte sie aus Sunderland. Sie hat zuletzt über ein Jahr als Kindermädchen gearbeitet, bei einem Ehepaar namens…«
» Cope«, ergänzte ich. » Daniel and Sandra. Sie hat deren Kinder betreut, drei und fünf Jahre alt.«
» Die Copes waren schockiert, wenn auch nicht über die Maßen. Mr. Cope haben wir überprüft, doch der ist sauber.«
Ich fuhr fort: » Wir wissen, dass Nicola die letzte U-Bahn verpasst hat, mit der sie eigentlich fahren wollte. Deshalb ist sie in den Nachtbus gestiegen und um 2.13 Uhr morgens an der Wandsworth Road ausgestiegen. Von da aus sind es zu Fuß
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