Der Brandstifter
gezeigt hatte, auf der Adam Rowley gesund und lebendig zu sehen war, und noch zwei weitere, die aus dem Jahr vor seinem Tod stammten und meinen Eindruck bestätigten, dass er ein ausgesprochen attraktiver junger Mann gewesen war. Dann die Bilder vom Flussufer, von einem gänzlich anderen Adam Rowley, aufgedunsen und bleich, mit blutleeren Schrammen an Stirn und Kinn, die Hände faltig und weich, wobei sich die obere Hautschicht bereits abzulösen begann. Nach einem kurzen Blick darauf legte ich die Fotos schnell mit der Bildseite nach unten auf den Tisch, denn mir war durchaus bewusst, dass das belebte Café nicht gerade der ideale Ort war, um sie eingehender zu studieren. Die Akte hatte immer noch Seiten über Seiten, die ich mit einem zunehmenden Gefühl der Verzweiflung durchblätterte. Mir blieb einfach nicht genug Zeit, um die vielen Informationen aufzunehmen, die DCI Garland so sorgsam zusammengetragen hatte. Zeugenaussagen, Stadtpläne, ein Grundriss des Gartenhauses im Latimer College, auf dem Garland das Zimmer von Adam Rowley angekreuzt hatte, eine Karte mit der Funkzellenauswertung, auf der die Ortung von Adams Handy in der Woche vor seinem Tod dokumentiert war, bis zu dem Moment, als das Signal verschwand.
Den Stapel mit den Aussagen blätterte ich systematisch durch, bis ich zu der von Rebecca Haworth kam. Gespannt las ich ihre Aussage, in der Hoffnung, einen Funken ihrer Persönlichkeit zu entdecken, doch die Art, wie man ihre Aussage erfasst hatte, machte sie zu etwas Unpersönlichem. So vieles hing von dem Polizeibeamten ab, der eine Zeugenaussage dokumentierte, und Garlands Kollege war leider hoffnungslos dem Amtsjargon verfallen. Aber trotz der steifen, unnatürlichen Sprache ( » Mein Wohnsitz ist der Polizei bekannt… Ich kannte Adam ROWLEY etwa zweieinhalb Jahre… Das letzte Mal habe ich ihn am 30. April in der Bar des Latimer College gesehen, um zirka 22.30 Uhr… Diese Aussage wurde nach besten Wissen und Gewissen getätigt…«) war Rebeccas Gefühlszustand erkennbar. Sie hatte nichts gesehen, sie wusste nicht, was mit ihm geschehen war, doch es stand außer Zweifel, dass sie um ihn trauerte. Sie konnte es nicht fassen, dass er tot war. Wie Garland gesagt hatte, war sie deswegen offenbar völlig am Boden zerstört. Außerdem hatte sie ein wasserdichtes Alibi für die fragliche Nacht, da sie auf einer Privatparty im Osten Oxfords gewesen war, zusammen mit dreißig weiteren Studenten, die sich alle dafür verbürgten, sie dort gesehen zu haben.
Zwei Seiten weiter stieß ich zu meiner Verblüffung auf Louise Norths Namen und ihre sehr kurze Aussage. Sie hatte in der fraglichen Nacht in der College-Bar gearbeitet und auch Adam Rowley einige Drinks serviert, er war ihr aber nicht besonders aufgefallen. An diesem Abend war viel los gewesen. Mit ihr zusammen hatten vier weitere Leute Bardienst gehabt, und sie war direkt nach ihrem Feierabend zu Bett gegangen. Adam Rowley hatte sie flüchtig gekannt, jedoch kaum mit ihm gesprochen. Knapp, nüchtern, emotionslos. Louise hatte sich seit dem College kaum verändert, hatte ich den Eindruck. Wenn ich sie das nächste Mal sah, wollte ich sie nach Adam fragen, da sie sowohl ihn als auch Rebecca gekannt hatte. Allerdings konnte ich mir angesichts seiner speziellen Vorlieben nicht vorstellen, dass Adam sich sonderlich für sie interessiert hatte.
Weiterhin waren in Garlands Akte die Aussagen von Rowleys Dozenten zusammengefasst, die sich darin einig waren, dass er zwar intelligent, aber stinkfaul war. Außerdem charakterisierten ihn seine Mitbewohner im Gartenhaus übereinstimmend als laut und rücksichtslos. Rowleys Freunde hatten sich erwartungsgemäß milder über ihn geäußert, doch es gab bemerkenswert wenige Zeugnisse aufrichtiger Emotionen. Ich wurde den Eindruck nicht los, dass Rowley ein übler Tyrann gewesen war und selbst seine Freunde beinahe aufatmeten, als er tot war.
Die restlichen Zeugenaussagen sparte ich mir für später auf und blätterte weiter zum rechtsmedizinischen Gutachten, dem ich entnahm, dass frische Wasserleichen immer in derselben Position auf den Grund sinken, und zwar bäuchlings, mit hängendem Kopf– und dass die Schrammen in Rowleys Gesicht wahrscheinlich darauf zurückzuführen waren und keinen Hinweis auf Gewalteinwirkungen vor seinem Tod darstellten, auch wenn sich das nicht endgültig belegen ließ. Rowleys Lunge war aufgebläht und voller Wasser, in den Atemwegen und im Magen fanden sich Schlick und andere aus
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