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Der Brandstifter

Der Brandstifter

Titel: Der Brandstifter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Casey
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dem Fluss stammende Fremdstoffe. Dennoch, so hatte der Rechtsmediziner angemerkt– und unweigerlich stellte ich mir beim Lesen einen vorwurfsvollen Tonfall vor, wie ich ihn von Glen Hanshaw nur allzu gut kannte–, war ein Ertrinken damit nicht bewiesen, weil sich » aus der Obduktion keinerlei Befunde ergeben, die für sich genommen den Tod durch Ertrinken hinreichend sicher belegen können. Vielmehr sind alle anderen möglichen Todesursachen auszuschließen«. Die Ablagerungen aus dem Fluss konnten auch während der langen Verweildauer im Wasser in seinen Körper gespült worden sein. Es war zwingend davon auszugehen, dass ein anderes verhängnisvolles Ereignis vorgefallen war, ehe das Opfer ins Wasser geriet. Der Rechtsmediziner wies außerdem darauf hin, dass der Blutalkoholgehalt aufgrund der großen Wassermengen, die Adam aufgenommen hatte, möglicherweise nicht verlässlich war. Dennoch konnte er mit hinreichender Sicherheit feststellen, dass das Opfer unter erheblichem Alkohol- und Drogeneinfluss gestanden hatte. Alles in allem war der Rechtsmediziner daher bereit, Ertrinken als wahrscheinliche Todesursache in Betracht zu ziehen. Ich verdrehte die Augen. Dieses Gutachten war so typisch für einen routinierten Sachverständigen: Hier sind meine beiden Stühle; gestatten Sie, dass ich mich dazwischensetze. Reid Garland hatte da in seiner Zusammenfassung des Falles wesentlich überzeugter geklungen, aber ich erkannte darin den Wunsch des Bullen nach starken Argumenten. Der Untersuchungsrichter hatte dies ebenfalls angemerkt und ließ sich davon nicht beeinflussen. Eine richterliche Feststellung auf unbekannte Todesursache war insofern absolut plausibel, gemessen an dem, was ich gelesen hatte. Dennoch gab es auch eine Liste offener Fragen, die den zuständigen Ermittler schon sieben lange Jahre beschäftigten. Wer hatte ihm die Drogen gegeben? Was hatte ihn mitten in der Nacht zum Flussufer geführt? War er gestürzt, oder hatte ihn jemand gestoßen? Wer konnte sich seinen Tod gewünscht haben? Und warum war gerade Rebecca Haworth diejenige unter all seinen Freunden und Bekannten, die von seinem Tod so schwer getroffen war?
    Allerdings gab es noch eine letzte, unausweichliche Frage. Wenn es Garland in sieben Jahren nicht gelungen war, diese Rätsel zu lösen, welche Chance hatte dann ich?
    Professor Stanwell Westcotts Büros befanden sich im College-Hof 3, Aufgang 16, Latimer College– so jedenfalls wurde ich zu meiner großen Verwirrung informiert, als ich mich in der Pförtnerloge erkundigte, wo er zu finden war. Ich hatte kurzerhand ein weiteres der schmucken weißen Schilder ignoriert, denen zufolge Besuchern der Zutritt zum College nicht gestattet war, und dann mit dem deutlichen Gefühl, eine andere Welt zu betreten, den Torweg passiert, während hinter mir der Lärm der Straße verebbte. Der kleine, rundliche Pförtner, der zumindest keinen Hut aufhatte, zeigte sich wesentlich zugänglicher, als ich zusammen mit meinen Dienstausweis ein Lächeln präsentierte, um die ganze Förmlichkeit ein wenig zu mildern. Er kam hinter seinem Schreibtisch hervorgeschossen und bestand darauf, mich persönlich zu Professor Westcott zu bringen. Ich folgte ihm durch mehrere Höfe mit makellosen Rasenflächen, von denen der eine aus dem frühen 16. Jahrhundert stammte und der andere ungefähr 90 Jahre später hinzugekommen war. Die sogenannten New Buildings auf der anderen Seite waren, anders als ihr Name vermuten ließ, eine viktorianische Erweiterung, die Mensa befand sich zu meiner Linken, gleich dort die Stufen hinauf, und als die College-Führung im Schnelldurchgang immer noch kein Ende nahm, klinkte ich mich kurzerhand aus. Ich stellte mir lieber vor, wie die junge Rebecca Haworth durch den Torbogen gerannt kam, der den ersten vom zweiten College-Hof trennte, auf dem Weg zu einer Vorlesung, einer Party oder zu einem Date mit dem attraktiven und arroganten Adam Rowley. Der düstere Wintertag bewirkte, dass in den meisten Zimmern, die auf den rasenbedeckten Innenhof blickten, das Licht brannte und die Wege, die wir entlanggingen, kreuz und quer von langen Schatten überzogen waren. Obwohl ich mich normalerweise nicht so leicht von Stimmungen beeindrucken lasse, lief mir ein Schauer den Rücken hinunter. Einen Moment lang kam es mir vor, als würden wir die Heimstatt von Geistern betreten, als wir unter den kahlen Ranken einer Kletterpflanze hindurchliefen, die den Eingang zum dritten College-Hof überwucherte. Dieser

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