Der Brennende Salamander
grandioses Bacchusbild zu malen mit einer prospettiva , wie man sie bisher noch kaum gesehen hatte, wie sie vielleicht nur Giotto hatte malen können, schon zweihundert Jahre zuvor, oder Uccello oder Masaccio. Und in meiner schon wahnähnlichen Vermessenheit machte ich mir zum Vorwurf, daß ich jahrelang aus lauter Ängstlichkeit fast nur Tetraeder gemalt und Zeit verschwendet hatte.
Mir war klar, daß diese Gedankenflut einen Bilderteppich mit tausend Bildern darstellte, von denen ich keines wirklich wollte. Ich war noch immer vollgestopft mit Savonarolas trister Bildwelt, sah durch seine Brille, immer noch. Und je mehr ich strampelte, um mich von ihm zu befreien, um so mehr hatte ich das Gefühl, im Treibsand zu versinken, bei jedem Schritt ein wenig tiefer. Ich wollte das Beste geben, was in mir war, für diese Kapelle, die keine mehr war. Und auch wenn ich es mir nicht eingestand, ich wollte es für Nardos Mutter tun, nicht für Nardo, nicht für etwas so Vages wie ›für die Kunst‹. Jeder Maler denkt selbstverständlich, daß das Bild, an dem er soeben malt, sein bestes werden muß, eines, auf das er sein Leben lang zugelebt hat. Aber er spürt meist schon beim vorletzten Pinselstrich, daß es wiederum nur eines geworden ist, das auf der bisherigen Linie liegt, eines ist wie all die anderen, die er zuvor gemalt hat.
Am Ende meiner mühseligen Betrachtungen versuchte ich mir vorzustellen, was ich nun malen würde, jetzt sofort, aber ich machte mich eher mißmutig auf den Heimweg, ohne mehr zu wissen als zuvor. Noch nie hatte mich jemand so ins Weltall hinausgestoßen wie diese Frau, stets hatte man mir gesagt, was ich malen solle, ich hatte am Morgen meine Farben gekauft – Caput mortuum, Saturnrot, Terra di Siena, Sandaraca, Korkschwarz –, dann hatte ich mich wohlangeleitet an die Arbeit gesetzt.
Auf dem Rückweg spürte ich, wie ich mir gegenüber von Minute zu Minute ungnädiger wurde. Ich hatte nichts weiter als Zeit vergeudet, und die erhofften Inspirationen hingen irgendwo in den Wolken. Ich hatte sie nicht greifen können.
Ich zog mich nicht um an diesem Abend für das gemeinsame Mahl. Ich suchte Ghita im Haus, dann im Garten, um sie davon zu unterrichten, daß ich an meiner Arbeit bleiben wolle. Ich fand sie mit beiden Händen in einem Eimer mit Erde wühlend, die sie durcheinandermischte. Die ist für die Aussaatschalen in meinem Treibhaus, erklärte sie, ich hoffe auf einen warmen Winter, dann geht das Keimen ziemlich rasch. In drei Monaten hat man bereits richtige Pflänzchen. Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie spannend es ist, diese Rosenwinzlinge zum erstenmal blühen zu sehen. Die Pflanzen sind kaum einen halben Finger hoch, aber man kann trotzdem schon deutlich sehen, wie die Rosen einmal aussehen werden. Manchmal dauert es Jahre, bis sich ein Züchtungserfolg sehen läßt, aber es lohnt sich, zu warten.
Ich blieb neben ihr stehen, sah ihr zu, wie sie die Erde in die Schalen füllte und dann zur Seite stellte.
Sie sah zu mir auf und sagte dann lächelnd: Ihr fühlt Euch überfordert, stimmt es?
Ich schüttelte den Kopf, nickte und kam mir vor wie ein Schüler, der seine Aufgabe nicht gemacht hat. Ich weiß es nicht.
Habt Ihr bisher wirklich immer nur Auftragsarbeiten gemacht?
Alle machen Auftragsarbeiten. Man muß leben. Irgendwie. Ganz gleich, ob es einem gefällt oder nicht.
Ihr habt also bisher nie ein Bild gemalt, Euch zur Freude, wie das so schön heißt?
Nun, eigentlich male ich jedes Bild, das ich male, mir zur Freude. Aber dann bin ich gezwungen, meine Freude mit anderen zu teilen. Ich gebe das Bild in fremde Hände. Ich muß Abschied von ihm nehmen. Ich kann nicht einmal fordern, daß sie mich sehen lassen, wo es hängt. Ob es richtig hängt. Das richtige Licht hat, um voll zur Wirkung zu kommen, die rechte Nachbarschaft, den nötigen Abstand von anderen Bildern oder anderen Dingen.
Sie lockerte die Krume in einer Schale. Und was empfindet Ihr dann? Zum Beispiel, wenn es falsch hängt?
Trauer, abgrundtiefe Trauer. Ich kann es ja nicht mehr zurückholen, versteht Ihr? Ein Dichter, dessen Buch gedruckt wird, hat anschließend sein Buch in Händen. Er kann es streicheln, küssen, mitschleppen, neben seine Lagerstatt legen. Ein Maler schneidet ein Stück aus sich heraus und gibt es weg. Er weiß nicht, ob es ein halber Fuß ist, eine Hand, ein Ohr, er weiß nur, daß es ihm fehlt. Und er denkt an dieses Bild, stellt sich vor, wie es gehängt ist, weiß aber, er kann es
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