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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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alles in mich hinein, wird nicht gefiltert durch die Banalitäten dieser Welt. Ich trinke meinen Wein in sparsamen Portionen, ich esse wenig, bin am Rande des Fastens. Ich schlafe nicht länger als vier Stunden jede Nacht. Es gibt niemanden, der mich stört. Und ich frage mich inzwischen, wie ich in Florenz überhaupt jemals ein einziges Bild zustande gebracht habe. Aber ich frage nicht, wie es weitergehen wird, wenn die Arbeit hier vorüber ist und ich in ein lautes Atelier zurückkehren muß, in dem ständig irgend etwas geklärt werden muß und die Imagination gestört wird.
    Neulich fragte mich Nardo, von dem ich nie weiß, ob er sich im Hause aufhält oder ob er gerade in Bologna an der Universität ist, behutsam, ob ich für später an einem Auftrag in Siena interessiert sei. Er fragte fast unterwürfig, so, als sei ich bereits wer, um den man sich bemühen muß, was mich verlegen machte. Ich überlegte anschließend, ob ich vielleicht den Punkt nicht wahrgenommen habe, an dem man beginnt, sich um mich zu bemühen. Aber dann schalt ich mich töricht und hochmütig. Noch ist es viel zuwenig, was ich der Welt geboten habe. Noch werde ich jahrelang arbeiten müssen, bis ich soweit komme, daß meine Handschrift unverwechselbar ist und jeder weiß, dies ist eine Madonna von Ambrogio Innocenti. Oder auch: Dies ist ein Bacchus, den nur Ambrogio auf diese Art und Weise malen kann, unverkennbar seine Pinselführung.
    Neulich – es war spät in der Nacht – klopfte es leise an meine Tür. Ich nahm das Geräusch erst richtig wahr, als es ein zweites Mal klopfte, weil ich gewöhnt war, daß jeder meinen Wunsch nach Einsamkeit bei der Arbeit respektierte.
    Ich öffnete. Nardos Mutter stand vor der Tür, leicht verlegen in einem roten Überwurf über ihrem Nachtgewand, in der Hand einen Klappstuhl. Sie legte den Finger an den Mund, setzte sich mit ihrem Stuhl in die Ecke und gab mir mit einem Zeichen zu verstehen, daß ich weiterarbeiten solle.
    Ich tat es, wenn auch mit inneren Sperren, Sperren, die ich nicht einmal exakt hätte beschreiben können. Plötzlich schossen mir die wildesten Gedanken durch den Kopf. Ich fühlte mich seltsam nackt, als entblöße ich meine Seele und halte sie feil wie die Kurtisanen ihren Körper in den Frauenhäusern dieser Stadt.
    Ich versuchte also weiterzumalen, merkte aber, wie mein Pinsel stockte, sich vom Malgrund löste. Ich atmete langsam aus und ein, dann drehte ich mich um. Aber ich brauchte nichts zu sagen, Ghita hatte bereits ihren Klappstuhl unter dem Arm und wandte sich zum Gehen. Lautlos, sprachlos. Nach einigen Minuten schien es mir, als habe nie jemand den Raum betreten und als sei dieser Besuch nichts weiter gewesen als ein Traum.
    Am nächsten Tag beim Morgenmahl, das ich diesmal ganz bewußt im Speisezimmer einnahm, versuchte ich, Ghita alles zu erklären. Aber sie wehrte ab: Versucht es erst gar nicht! Ich kenne den Unterschied.
    Unterschied? Zwischen was?
    Nun, zwischen einem Gemälde und einer Apparatur mit hundert Kolben. Ich mag es, wenn jemand zu mir ins Laboratorium kommt, und unterhalte mich gern, mit meinem Sohn zum Beispiel. Wenn ich ihm erkläre, was ich gerade tue, dann stellt er mir Fragen, und diese Fragen bringen mich möglicherweise weiter, falls ich gerade in eine Sackgasse geraten bin. Aber meine Welt ist nicht Eure Welt. Sie ist weniger … Sie suchte nach einem passenden Wort und sagte dann zögernd: Nun, ich denke, sie ist weniger heilig. Deshalb kann ich nach einem solchen Besuch auch ohne weiteres gleich wieder weiterarbeiten. Was Ihr vermutlich heute nacht nicht konntet.
    Ich hoffe, ich enttäusche Euch nicht, sagte ich langsam. Es war anders.
    Wieso anders?
    Es war, wie wenn Ihr nicht dagewesen wärt. Und dies schon eine Minute, nachdem Ihr den Raum verlassen hattet.
    Sie lachte. Nicht sehr schmeichelhaft für mich, sagte sie dann. Eine Frau, die keinerlei Eindruck auf einen Mann macht, wie schändlich.
    Ich war in diesem Augenblick kein Mann.
    Kein Mann? Das müßt Ihr mir genauer erklären.
    Ich fürchte, ich kann's nicht. Ich fühle mich … als Gefäß, ein Gefäß ohne jegliches Geschlecht. So, als sei ich überhaupt kein Lebewesen, sondern eine Maschine, die funktioniert – wie die Maschinen von Leonardo da Vinci, die er ständig entwirft. Oder ein Topf, in den Dinge hineinfallen, die man nur noch herauszunehmen braucht.
    Seht Ihr dabei Gott? fragte sie nach einer Weile leise.
    Gott? Ob ich Gott sehe? Ich dachte nach, schüttelte den

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