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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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oben? fragte Ghita nach einer Weile in aller Ruhe. Und wo zieht der Rauch hin?
    Man hört es, man riecht es, man sieht es. Und der Rauch zieht auf den Kanal hinaus, sagte ich, sonst nichts. Jedes weitere Wort schien mir auch überflüssig, da ich noch immer Kolben hielt, Korken stöpselte und Geräte herbeitrug, auf die sie mit dem Finger deutete.
    Dies alles, während Nardo in der Fensternische auf einer Bank saß und in aller Ruhe zeichnete und aufschrieb, was seine Mutter ihm nebenher diktierte.
    Wir wollten Euch erst ein wenig später einweihen, sagte sie irgendwann, als der Dampf sich endgültig verzogen hatte und jeder den anderen wieder sehen konnte. Aber nun wißt Ihr es eben jetzt schon. Sie lachte und legte mir mit einer großen Zärtlichkeit die Hand auf die Schulter. Kennt Ihr Platon? fragte sie dann unvermittelt.
    Nicht alle seine Schriften, sagte ich und überlegte, welche Bände ich gelesen hatte und welche nicht. Vor langer Zeit allerdings. Zusammen mit Rocco, wenn wir an Sonntagen im Ospedale Zeit dafür fanden.
    Dann kennt Ihr auch ›Das Gastmahl‹?
    Ich kannte ›Das Gastmahl‹, wußte aber keinesfalls, was dieses ›Gastmahl‹ in diesem Augenblick mit dem zischenden Dampf zu tun hatte.
    Wißt Ihr, da gibt es die Geschichte von dem Deckel, der zu einem Topf gehört – kennt Ihr sie?
    Natürlich kannte ich die Geschichte, jeder kannte sie, der Platon auch nur bruchstückhaft gelesen hatte.
    Sie drehte sich um, schaute ihrem Sohn über die Schulter. Platon hat nie gesagt, welche Hälften sich da eigentlich suchen. Es können zwei Männer sein, zwei Frauen, eine Frau und ein Mann. Nardo suchte einmal sehr intensiv nach dieser anderen Hälfte, aber er fand sie nicht. Inzwischen hat er es aufgegeben. Und nimmt mit mir vorlieb. Wie findet Ihr das?
    Mein Arm war vom langen Halten eines Kolbens inzwischen nahezu lahm, in meinem Kopf schwirrten tausend Ängste. Sie waren in Venedig nicht eben zimperlich, wenn sie Hexen aufspürten, und dieses seltsame Geständnis schien mir eindeutig in eine Richtung zu weisen, die den Männern der Inquisition kaum gefallen konnte, weil sie mit dem Glauben der Kirche nicht im Einklang war. Und dazu hatten nicht nur der Papst, die Herrscher von Frankreich und England sowie die Stadt Nürnberg Gesetze erlassen, die die Alchimie verboten, sondern auch der Rat der Stadt von Venedig. Mir war klar, Ghita würde als Hexe verbrannt werden, wenn auch nur irgendwer von ihrem Treiben erführe. Bei San Toma hatten sie erst vor kurzem eine Frau verhaftet, die Zauberpulver zusammenbraute. Das Pulver wurde im Prozeß vorgeführt, die Frau kam in den Kerker, worüber sie noch froh sein konnte.
    Ich bin keine, sagte sie lächelnd, als habe sie meine Gedanken erraten. Vergeßt die Vorstellung, ich sei eine Hexe. Ich mache etwas anderes.
    Es genügt, daß sie glauben, Ihr wärt eine Hexe.
    Ich bin keine, wiederholte sie ruhig, und eigentlich müßtet Ihr selber draufkommen, um was es hier geht.
    Ihr macht Gold, stieß ich hervor. Ihr macht Gold, nicht wahr?
    Ja und nein, sagte sie fröhlich. Das heißt, unter anderem versuche ich es. Und natürlich weiß ich, was man im Haus Eures Gönners darüber redet. Über Nardo redet. Aber es war nicht Nardo, der damals in Florenz den halben Turm in die Luft sprengte. Ich war es. Aber es wäre nicht gut gewesen, wenn dies jemand erfahren hätte, also nahm mein Sohn esauf sich.
    Nardo schien dem Gespräch nicht zuzuhören. Er schrieb weiterhin in ein dickes Buch, zeichnete und murmelte dabei vor sich hin. Ich brauche Euch natürlich nicht zu sagen, daß Ihr den Mund halten sollt, sagte sie dann, als Nardo mit seinem Buch zu ihr kam und es ihr zeigte. Sie sind einfach zu dumm, um zu begreifen, was das hier alles bedeutet. Sie bestehen aus nichts als aus Angst. Ihr ganzes Leben haben sie Angst – diese so überaus klugen Männer. Sie machte eine weitausholende Gebärde, die die gesamte Serenissima miteinbeziehen konnte oder auch die ganze Welt.
    Und Eure Diener?
    Wir haben einen Taubstummen, dem man die Zunge herausgeschnitten hat, und einen Sklaven, der sich für mich in Stücke hacken lassen würde, weil er weiß, daß man ihn woanders nur quälen würde mit seinen Pockennarben, die ihn häßlich wie die Nacht machen. Hier unten gibt es einen Raum für sie zum Schlafen, jeder hat seine Bettlade. Alle übrigen Diener schlafen nicht im Haus. Und bei Tag …
    Bei Tag bist du eine geradezu schon verbissene Gärtnerin, die mit Wien korrespondiert

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