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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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nicht eine halbe Elle nach links oder nach rechts verschieben, weil es ihm nun mal nicht mehr gehört.
    Sie träufelte Wasser in eine der Schalen und zog dann ihre ledernen Gartenhandschuhe aus. Kommt mit! Ich will Euch etwas zeigen.
    Ich weiß zu wenig von Euch, sagte ich dann fast mit einem Anflug von Verzweiflung, als ich hinter ihr herlief. Ich weiß nicht, was Ihr mit diesen Bildern, die ich malen soll, vorhabt, versteht Ihr? Die vielen Bilder, die bei einem Sammler hängen, ich denke, er kann nicht jeden Tag mit jedem seiner Bilder Zwiesprache halten. Er wird vielleicht am Morgen einen Gang durch seine Bildersammlung machen, aber er hat nicht die Zeit, sich jedem einzelnen Bild zu widmen, und ich bin sicher, wenn man ihn danach befragt, dann erinnert er sich bei manchen Bildern nicht einmal mehr an die Farben. Möglicherweise hat er auch überhaupt vergessen, daß er dieses Bild besitzt. Weil er zu viele Bilder hat oder weil er es nicht mehr liebt. Wenn man aber ein Bild nicht mehr liebt, hat man dann überhaupt noch ein Anrecht auf dieses Bild? Sollte man es nicht besser jemandem weitergeben, jemandem, der es noch lieben kann, für den es neu ist wie am Tag der Vollendung? Ich meine, wirklich mit aller Kraft lieben, nicht nur eine kleine Tändelei.
    Ich hielt inne, starrte Ghita an und überlegte mir dabei, was ich soeben alles an sie hingeschwatzt hatte.
    Sie betrachtete mich und nickte. Ich denke, ich verstehe Euch. Aber diese Bedingungslosigkeit der Liebe, die Ihr fordert, sie ist nicht so leicht zu haben, glaubt mir! Und bei Eurem Auftrag hier geht es nicht um Tafelbilder, sondern um das Ausmalen einer ehemaligen Kapelle. Ist das nicht etwas anderes?
    Nein, sagte ich rasch, es ist nichts anderes. Die Bedingungslosigkeit ist die gleiche, was mich betrifft zumindest. Und sie darf von nichts gestört werden. Von nichts.
    Wie meint Ihr das? fragte sie irritiert.
    Ich überlegte kurz. Ich hätte gern eine Bettlade in der ehemaligen Kapelle, sagte ich dann stockend. Nur eine ganz einfache Pritsche wie in einer Mönchszelle. Dann bräuchte ich Schlafen und Arbeiten nicht zu trennen.
    Weshalb solltet Ihr keine Pritsche haben, sagte sie langsam. Es ist noch sommerlich warm, ein Kohlenbecken braucht Ihr gewiß nicht.
    Wir lachten, dann fragte ich, mutig geworden, ob ich auch das Essen dort einnehmen könne.
    Sicher könnt Ihr dort auch essen. Ich lasse Euch die Speisen einfach vor die Türe stellen, dann werdet Ihr nicht gestört. Auch wenn mir das Vergnügen Eurer Gesellschaft dann den ganzen Tag über nicht mehr zuteil wird, fügte sie mit einem schwachen Lächeln hinzu und wandte sich zum Gehen. Was ich Euch zeigen wollte, zeig ich Euch später, sagte sie zögernd und schaute irgendwo in die Ferne. Es paßt jetzt nicht mehr.
    Am Morgen nach diesem Gespräch konnte ich nur hoffen, daß ich Ghita nicht begegnete, damit sie sich nicht nach meinen dunklen Ringen unter den Augen erkundigen konnte – ich hatte diese Nacht so gut wie gar nicht geschlafen, nicht nur wegen der spartanischen Pritsche. Dabei hatte ich mir erhofft, daß sie mir helfen würde, einen Teil meiner Wirrnisse zu lösen. Ich hatte mich auf das karge Lager gelegt, die Augen geschlossen und versucht, Bilder in mir erstehen zu lassen.
    Aber zunächst sah ich nur Schemen. Sie waberten durch den Raum, ließen sich nicht festmachen, waren hier und dort, als wüßten sie noch nicht, wo sie sich niederlassen sollten. Dann mußte ich für kurze Zeit eingeschlafen sein, erwachte jedoch wieder mit völlig verkrampften Gliedern, da die Pritsche eben eine Pritsche war. Irgendwann in der Nacht sah ich dann plötzlich ein Gesicht. Nicht das strenge, freudlose Gesicht der Madonna in jener armseligen Kirche, es war ein anderes. Und allmählich, als sich der Nebel in meinem Kopf lichtete, wurde mir klar, daß es Brigidas Gesicht war. Es gehörte zu einer Figur in einem wallenden blauen Mantel und schien mit Verachtung auf ein anderes Gesicht herabzublicken, ein Megärengesicht, das, wie ich bald erkannte, Ghitas Züge trug. Ich versuchte, die beiden Gesichter auszutauschen, obwohl mir klar war, daß zu Nardos Mutter kein Madonnenmantel passen würde, zu einer Frau, der es um eine neue Formel für ihre nächtliche Arbeit ging, mit der sie so rasch wie möglich ans Ziel ihrer Wünsche gelangen wollte: daß die Transmutation gelingen und sie den Stein der Weisen finden möge.
    Und so löschte ich Brigidas Gesicht in der Gewißheit, daß diese Madonna hier fehl am

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