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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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Kopf. Nein, ich sehe Gott nicht. Ich spüre ihn auch nicht in mir. Ich gehöre ihm nicht für diese Stunde, in der ich arbeite. Ich schaute auf ihre Hände, die, als gehörten sie ihr nicht, ohne die geringste Bewegung in ihrem Schoß ruhten. Es ist, als würde ich mich irgendwo im Weltraum befinden, und es interessiert mich dann nicht, ob ich je wieder in meinem ganzen Leben – das mir in diesen Sekunden nicht bewußt ist – auf diese Erde zurückkehren werde. Ich hielt inne und stellte meinen Becher auf den Tisch. Ich denke, das beschreibt es wohl am genauesten. Es ist vielleicht eine Art Trance, deren Quellen ich nicht kenne, aus denen sie gespeist wird.
    Sie schob ihren Teller zur Seite und stand auf. Wie steht Ihr zu meinem Sohn? fragte sie dann so unvermittelt, daß ich zusammenzuckte.
    Wie bitte?
    Wie Ihr zu meinem Sohn steht? wiederholte sie freundlich.
    Nun, ich, ich bin ihm unendlich dankbar, daß er mich hierhergebracht hat, daß ich hier unter diesen Bedingungen arbeiten darf, daß ich …
    Sie kam um den Tisch herum, lachte unbekümmert und legte mir eine Hand auf die Schulter. Es ist immer die gleiche Stelle, auf die sie ihre Hand legt, jetzt bereits zum dritten Mal, wenn ich mich recht erinnere.
    Gebt Euch keine Mühe! Ich wollte es nur wissen.
    Den gesamten Morgen über, als ich durch die Stadt ging, um mir einen neuen Skizzenblock und Pinsel zu kaufen, fragte ich mich, was sie eigentlich hatte wissen wollen. Was ihre Frage bedeutet haben mochte, und ob ich sie richtig beantwortet hatte. Ich sah Nardo nicht allzu häufig und wenn, war sie fast immer dabei. Ich hatte auch nicht den Eindruck, daß er ein spezielles Interesse an mir hatte, wie meine Freunde in Florenz bei meinem ersten Besuch vermutet hatten. Er beschäftigte sich mit den Sternen, dem Mond und der Sonne, auch wenn er sich für die eigentliche Astrologie nur am Rande interessierte. Der Lehre, ob die Sterne vermochten, einen direkten Einfluß auf die Menschen zu nehmen, schien er nicht unbedingt anzuhängen. Seine Studenten gingen zu ihm wegen seiner Philosophievorlesungen.
    Am Abend dieses Tages kamen zum erstenmal, seit ich hier war, Gäste in den Palazzo. Es waren weitgehend junge Männer, denen ich mich unendlich unterlegen fühlte: Als das Gespräch auf Ficinos ›Theologia Platonica‹ kam und dann auf Pico della Mirandolas Thesen, die ihm den Verdacht der Häresie einbrachten, blieb mir nichts anderes übrig, als mich in die stumme Betrachtung von Ghitas Garten zu flüchten, den ich noch immer nicht bis in den letzten Winkel erforscht hatte. Außer mir gab es nur noch einen anderen jungen Mann, der ebenfalls außerhalb dieser Gruppe stand: Er hatte den Fehler begangen, über die Preise von Getreide und Tuchen zu sprechen, die er kürzlich im Fondaco dei Tedeschi gekauft hatte, woraufhin ihn die anderen betrachteten, als komme er von einem anderen Stern. Es gelang Ghita nur mit Mühe, die peinliche Situation zu meistern, indem sie in die Hände klatschte, alle auf die Bänke um den Brunnen herum bat und vorschlug, dem Vortrag eines Lautenspielers zuzuhören.
    Über den Stein der Weisen sprachen wir erst nach Wochen.
    Ich war zwar einige Male eingeladen worden, bei Nacht in Ghitas Laboratorium zu kommen, aber ich hatte darauf verzichtet, weil ich jedesmal erfuhr, daß Nardo unterwegs sein würde. Ich erfuhr dies von einer Dienerin, und ich weiß nicht, welche Absicht sie damit verband, daß sie es mir, wie ich vermutete verbotenermaßen, zusteckte.
    Wir sprachen darüber an einem Abend, als wir uns zufällig in der Stadt trafen. Ich saß am Quai, hatte den Skizzenblock auf den Knien und versuchte, das Gesicht eines Mannes festzuhalten, der mit ein paar Kumpanen schräg gegenüber auf einem Fischerboot einen Humpen Wein leerte. Die Männer waren bereits angetrunken, hatten vom Wein gerötete Gesichter, und ich dachte, genauso müßten Bacchus oder Dionysos aussehen.
    So stelle ich ihn mir auch vor, sagte plötzlich eine leise Stimme neben mir. Er paßt in unser Bild.
    Ich legte den Block zur Seite und fühlte mich unbehaglich und erfreut zugleich, als ich Ghita neben mir stehen sah.
    Ich wollte Euch nicht stören, sagte sie sanft, ich sah Euch nur hier sitzen, und da wir sonst kaum Gelegenheit haben, miteinander zu reden, dachte ich, ich dürfe Euch wohl ansprechen.
    Ich legte den Skizzenblock zur Seite und nahm einen Kieselstein in die Hand. Ihr stört mich nicht, sagte ich und warf den Stein so, daß er flach über die

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