Der Brennende Salamander
Wasserfläche schlitterte.
Sie lachte und wollte es nachmachen, aber ihr Stein versank bereits bei der ersten Berührung mit dem Wasser.
Ich wiederholte mein Kunststück, sagte dann: Dieser Stein gehorcht mir, Euch gehorcht der andere.
Welcher andere? fragte sie verblüfft.
Nun, der Stein der Weisen, oder etwa nicht?
Ich fürchte, er wird mir nie gehorchen, das heißt, ich werde ihn vermutlich gar nicht finden. Aber das macht nichts. Vielleicht möchte ich ihn auch nicht finden. Für mich war schon immer der Weg das Ziel.
Ihr wollt doch Gold machen, oder etwa nicht? Gold machen oder den Stein der Weisen finden oder gar das Elixier des Lebens?
Sie lachte leise vor sich hin und schüttelte den Kopf. Der Stein der Weisen interessiert mich nicht. Auch nicht das Elixier des Lebens. Wir werden es nie finden, und ich weiß auch nicht, ob es überhaupt gut wäre, wenn wir es finden würden. Es gibt für mich kein Wozu bei dieser Arbeit, ich verrichte sie an sich. Ob Gold dabei herauskommt oder nicht, ist mir nicht wichtig, ich brauche es nicht. Und mein Vater war der gleichen Meinung.
Was wollt Ihr dann? fragte ich und spürte, wie meine Ängste ganz langsam wie ein Kartenhaus in sich zusammenfielen. Was dann, wenn nicht Gold und den Stein der Weisen? Dabei gingen mir alle Dinge durch den Kopf, die ich über derlei Versuche gehört hatte.
Sie stand auf, strich die Seide an ihrem Körper glatt, und mir fiel auf, daß sie offensichtlich überhaupt nur Seidengewänder trug. Wenn die Zeit gekommen ist, werden wir darüber reden, sagte sie. Zuvor wollen wir alle fröhlich sein, Theater spielen und ein Fest feiern, wir brauchen es.
Die Vorbereitungen für dieses Fest begannen eine Woche später. Männer in Arbeitskleidung kamen in den Garten und bauten die Kulissen für ein Schäferspiel auf, Frauen schleppten dicke Stoffballen an und begannen, Kostüme zu nähen, Putzmacherinnen stellten skurrile Kopfbedeckungen zusammen – und über allem lag eine Heiterkeit, wie ich sie nie zuvor erlebt hatte. Die wenigen Feste im Hause Orelli waren stets von einer verbissenen Geschäftigkeit geprägt, die die rechte Vorfreude nie aufkommen ließ. Von Tag zu Tag konnte man mehr vom Inhalt des Theaterstückes ahnen. Der Garten wurde in die Kulissen miteinbezogen, die Holzgestelle krochen an der Hauswand empor, wuchsen in die Höhe, Balkone entstanden, wo zuvor nur eine Efeuwand gewesen war.
Und des Nachts lebten wir unser seltsames Leben weiter im verborgenen; ich stattete der Alchimistenküche jetzt häufig Besuche ab. Meist waren wir zu dritt, aber es gab auch Nächte, in denen Ghita und ich für kurze Zeit allein arbeiteten.
Und es schien so, als sei sie darüber sehr erfreut. Ihr seid mein Schüler, ich bin der Eure, sagte sie einmal. Gibt es etwas Schöneres zwischen Menschen, als wenn einer vom anderen lernen kann?
Inzwischen ging es auch schon längst nicht mehr darum, wie man den schwarzen Raben in eine weiße Taube verwandeln könnte, inzwischen hatte Ghita den nächsten Schritt in aller Deutlichkeit vor mir offenbart: Es ging um diese Transmutation, die sie schon bei meiner ersten Anwesenheit im Laboratorium angesprochen hatte. Und ich gebe zu, daß mich dies noch immer mit ziemlicher Angst erfüllte. Und deshalb sprach ich auch mit ihr darüber.
Angst? Wovor?
Vor vielem, sagte ich vage.
Angst hat jeder Mensch, sagte sie und goß behutsam eine Flüssigkeit in eine Retorte, die sie dann gegen das Licht hielt.
Jemand wie ich bestimmt, sagte ich zögernd. Ich bin mit diesen Ängsten aufgewachsen. Mit der Angst, daß eines Tages vielleicht meine Mutter kommen und mich herausreißen könne aus der Gemeinschaft dieses Instituts – so sehr ich mir dies auch gleichzeitig wünschte. Mit der Angst, daß die Mitglieder der Arte della seta aus irgendeinem Grund plötzlich zu armen Leuten würden und kein Geld mehr für uns zur Verfügung hätten …
Sie lachte auf. Die Arte della seta? Darüber braucht Ihr Euch gewiß keine Sorgen zu machen! Die Seide hat nicht nur Eure Stadt reich gemacht, Lucca ebenfalls und Siena.
Nun, dann eben mit der Angst vor der Pest …
Da seid Ihr nicht allein mit Eurer Angst, sagte sie, vor der fürchtet sich alle Welt. Kommt, laßt uns schlafen gehen! Es ist schon spät in der Nacht.
Wir stiegen miteinander die Treppe hinauf. Sie ging den Gang zu ihren Räumen entlang, ich stieg weiter hinauf zu meiner Kammer, in der ich nur selten schlief, vor allem dann, wenn ich mich ausgelaugt fühlte von
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