Der Brennende Salamander
ergründen wollten. Ghita summte dabei vor sich hin, einmal auch die Melodie jenes alten Liebesliedes, zu dem sie am ersten Abend getanzt hatte. Ich summte den Baß dazu, was sie ganz offensichtlich freute.
Als das Licht draußen schwächer wurde und langsam schwand, und als die Geräusche auf dem Kanal allmählich verstummten, schien sich in unserem Raum etwas zu verändern, auch wenn keiner von uns beiden sich anmerken ließ, daß er es spürte. Aber es lag eine Spannung in der Luft, die kaum gemildert werden konnte, auch nicht durch das leise beruhigende Köcheln eines Kräutersuds auf dem Sandofen.
Gestern habt Ihr mir Eure Farben vorgeführt, sagte sie und rührte in einer Flüssigkeit, die in einem Wasserbad hing, heute zeige ich Euch die meinen.
Ich schaute ihr zu, wie sie eine zweite Flüssigkeit in die andere rührte, worauf die Farben mit einem Male umschlugen: Das Zinnober wurde zu einem tiefen intensiven Indicum, während in dem Pelikan daneben Grüne Erden zu Rotem Ocker umschlug. Ich schaute ihr zu, als sei ich bei einem Magier zu Gast.
Ich weiß nicht genau, wie lange diese Farbspiele dauerten, sie schienen mir inszeniert wie ein Theaterstück, und als die Flüssigkeiten irgendwann wieder ihre ursprüngliche Farbe annahmen, hatte ich das Gefühl, jetzt eigentlich in die Hände klatschen zu müssen.
Ghita trat ans Fenster, atmete tief ein, drehte sich aber nicht um. Habt Ihr eigentlich je mit Modellen gearbeitet? fragte sie dann.
Ich brauchte einige Zeit für meine Erwiderung, weil ich ahnte, was kommen würde. Lazzaro schon, ich nicht.
Weshalb nicht?
Ich hob die Schultern. Sie hätten mich abgelenkt.
Sie erregen Euch? wollte sie wissen.
Ich schaute zur Seite, dann auf den Boden. Nie zuvor hatte eine Frau in diesem Ton nach meinen geheimsten Empfindungen gefragt.
Ja. Wahrscheinlich, sagte ich zögernd.
Es ist eine ganz natürliche Sache. Auch wenn es fremd ist für Euch. Sie machte eine Pause, wandte sich um und rückte eine Flasche in eine andere Position. Es ist doch fremd für Euch? Ich nickte, zögernd.
Ich habe Euch bereits viel zu lange beansprucht, sagte sie dann, geht schlafen! Die nächsten Transmutationsschritte besprechen wir morgen.
Ich ging in die ehemalige Kapelle und ließ mich ganz langsam auf mein Lager fallen.
Ich schloß die Augen. Und tat, was mir damals in dem Haus in der Via nuova degli Spardai nicht gelungen war.
Aber es waren nicht die Gedanken an Brigida, die mich bei diesem Tun begleiteten.
Seltsamerweise hatte ich mir nie überlegt, wie alt Ghita sein mochte. Ich tat es wahrscheinlich deswegen nicht, weil mir alles zeitlos zu sein schien, raumlos. Und unwichtig. Und das, was in den folgenden Tagen in ihrem Laboratorium bei unseren gemeinsamen Versuchen geschah, war nichts, was auch nur auf irgendeine Art und Weise greifbar gewesen wäre. Oder beschreibbar. Es lief einfach ab, fast wie eine Transmutation, und ich hätte nicht sagen können, wer von uns beiden es in Gang gesetzt hatte.
Aber etwas geschah, auch wenn es kein Gesicht hatte. Diese Zeremonie der Farben in ihrem Reich, das Studium der Farben in der ehemaligen Kapelle – es hatte miteinander zu tun. Ich nehme an, wir wußten das beide. Und es hatte nur mit uns beiden zu tun, Nardo betraf es nicht.
Äußerlich lief also alles so weiter wie bisher. Wenn ich nicht malte, ging ich in die Stadt, besorgte Farben oder Pinsel, ab und zu gab Ghita mir einen Auftrag für den Apotheker. Aber unser gemeinsames Refugium blieb der Palazzo – der Palazzo und der Garten, wobei ich nach wie vor den Teil des Gartens hinter der farbigen Wand nicht kannte. Wir werden uns alles anschauen, gemeinsam, pflegte sie zu sagen, sobald ich sie darauf ansprach, wenn es Zeit ist.
Wenn es mittags sehr heiß war, suchte ich oft Zuflucht in der Kühle der Bibliothek. Ich las nun all die Bücher, an die ich früher nie herangekommen war. Im Hause Orelli gab es keine Schriften des Aristoteles in der Bibliothek. Genaugenommen gab es überhaupt keine richtige Bibliothek, sondern lediglich einen schmalen Flur mit ein paar Brettern an der Wand, auf denen Bücher über die Seidenraupenzucht und das Bankwesen standen.
Auch in Ghitas Laboratorium fand ich Bücher, Bücher von spezieller Thematik, deren Lektüre sie mir nachhaltig empfahl.
Ich las, sooft es ging, vor allem die Bücher über die großen Alchimisten Albertus Magnus und Roger Bacon, die Schriften des Arabers Dschabir, der unter dem Pseudonym Geber bekannt war, und
Weitere Kostenlose Bücher