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Der Brennende Salamander

Der Brennende Salamander

Titel: Der Brennende Salamander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingeborg Bayer
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Abhandlungen über den ›Dreimalgrößten‹ Hermes Trismegistos, dem legendären Urvater der Alchimie. Ich las im Buch eines Kabbalisten, das ›Portae Lucis‹ hieß, wie die Zirkulation zwischen den oberen und den unteren Sefirot unterbrochen und damit die Einheit von Himmel und Erde zerstört wurde, und ich las vom ›Grünen Löwen‹, der zu den drei Dingen gehöre, die für die Meisterschaft genug sein sollten. In einem anderen Buch war vom Geheimnis der Adepten die Rede, vom siebten Schlüssel des Basilius Valentis und vom ›Salz der Weisen‹. ›Gib Feuer zum Feuer, Mercurium zum Mercurio, und es ist dir genug.‹ Eine allegorische Darstellung des Salzes zeigte Jupiter in der Mitte einer Dreiergruppe, die auf das ›Centrale Feuer‹ zeigt, das ›geheime Salz der Natur‹. Besonders interessierten mich Bücher über die Conjunctio, weil sie eine Fülle von Bildmaterial enthielten, so daß ich mir überlegte, ob Ghita möglicherweise auch an diese Art von Bildern gedacht hatte für ihre umgebaute Kapelle. Unter einem Bild, das zwei sich Liebende in einer kargen Berglandschaft zeigte, hieß es in einem Sol-und-Luna-Gedicht: ›O Sol, du bist über allen Lichtern zu erkennen, so bedarfst du doch mein wie der Hahn die Hennen.‹
    Und dann fand ich eines Tages eine Handschrift, die ich kaum mehr aus der Hand legen konnte. Auf dem Titelblatt stand ›Der brennende Salamander‹. Das alchimistische Werk erklärte ausführlich das ›Geistfeuer der Natur‹, in dessenZentrum der Salamander lebt, und wie das geistige Feuer sich verleiblicht und Gestalt angenommen hat. Mit eingebunden im gleichen Band war ein Traktat über die Androgynität, in den Ghita Zettel mit alchimistischen Zeichen gelegt hatte. Auf einem dieser Zettel stand: ›Wir werden hinaufsteigen in die Ordnung der Ältesten, dann soll mir und dir eingegossen werden ein brennendes Licht.‹ Ich stellte mir viele Orte vor, wo dieses Licht sein konnte.
    Das Fest war ein Fest, wie Ghita es aus Lorenzos Zeiten in Erinnerung hatte. Es sollte Anklänge an die Saturnalien zeigen und fand eigentlich zur falschen Zeit statt: Die großen Dionysien waren im März, was Ghita jedoch nicht störte.
    Im März war Nardo unterwegs, erklärte sie, und die Idee der Akademie und zum Umbau der Kapelle waren noch ganz verschwommen in meinem Kopf. Und im übrigen bin ich der Meinung, daß man die Feste so feiern soll, wie sie fallen: die bautta , Dreispitz, Maske und Cape, tragen die Venezianer ohnehin fast das ganze Jahr über. Und wir feiern jetzt das Fest des Priapus, des Gottes der Gärten und der Fruchtbarkeit.
    Und so feierten wir ein Fest, wie ich es mir nie hätte träumen lassen. Der Garten war im Lauf der Wochen zu einer Kulisse umgestaltet worden, die in nichts mehr an den ursprünglichen Zustand erinnerte: Künstliche Grotten wurden aufgestellt, die in einem geheimnisvollen bläulichen Licht erstrahlten, Marmorbänke mit seidenen Kissen säumten die Wände des Palazzo und ein Glaskugelbaum, die Krone noch verhüllt, stand vor jenem verborgenen Teil des Gartens, den ich immer noch nicht kannte. Der winzige Balkon war Bestandteil eines Feenpalastes geworden, aus dem Mund einer Amazone ließ sich Wein zapfen, ein sprühender Brunnen sollte die erhitzten Gesichter mit wohlduftenden Essenzen netzen. Es muß ein Garten der Sinne werden, hatte Ghita erklärt und jedes Detail besonders begutachtet, damit es auch in die Gesamtanlage der Kulissen paßte. Schäferspiel, Gaukler- und Musikdarbietungen sowie Gartenszenen sollten gleichzeitig ablaufen und damit einmalig sein, so daß für die Teilnehmer des Festes die Qual der Wahl bestand, was Ghita offenbar genoß.
    Sie selber sah ich während der ersten Stunde des Festes nicht, so sehr ich auch nach ihr Ausschau hielt. Das Kostüm, das sie für mich hatte nähen lassen, wurde mir erst kurz vor Beginn des Festes gezeigt: Es war ein Hermes-Kostüm, und ich war mehr als froh, daß sie mich nicht als Priapus hatte sehen wollen. Nardo trug ein prachtvolles Bacchus-Gewand. An seiner Seite waren Waldnymphen und Satyrn. Herkules und Omphale sowie Apoll und Daphne schlenderten durch den Garten, Ariadne zog mit einem langen Faden in der Hand durch das Gewirr der Gäste, und ein Lyraspieler liebkoste abwechselnd einen Cupido und eine Bacchantin.
    Und dann sah ich sie.
    Das heißt, ich konnte nur ahnen, daß sie es war: ein schlanker Faun mit einer Efeukrone auf der Perücke und einer malachitgrünen Maske vor den Augen, den

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