Der Brennende Salamander
entzündete. Und noch weniger erinnerte ich mich, weshalb ich plötzlich bereit war, in dieses Haus in der Via nuova degli Spardai mitzugehen. Ich hätte ablehnen können, wie ich das bis dahin immer getan hatte. Aber an diesem Abend tat ich es nicht.
Es war ein lauer Frühsommerabend, und es gab kaum junge Leute, die diesen Abend allein verbrachten. Wer vor dem Haus saß, auf einem Stuhl oder am Boden, ließ den Becher kreisen, hatte die Laute auf den Knien, lachte, bot den Wein auch denjenigen an, die nicht dazugehörten und auf dem Weg irgendwohin für ein paar Augenblicke hier hängenblieben.
Es war das Wetter, sagte Daniele später, als er mich mehr als verstört und maßlos betrunken spät in der Nacht auf dem Nachhauseweg antraf, und er versuchte, mich vor mir selber zu entschuldigen, indem er mir die Wirtshäuseraufzählte, in denen ich angeblich überall gewesen war; vor allem stundenlang im ›Lamm Gottes‹. Ich habe Pinien gemalt, sagte ich, kaum der Sprache mächtig. Nichts als Pinien. Pinienscheiben, Pinienpyramiden, Pinienkinder – auf Kontoblätter. Ich hatte die Farbe gekauft und …
Grüne Farbe hast du gekauft – Daniele nickte – und der speziale behauptete, du habest ihm mehr als eine halbe Stunde seiner kostbaren Zeit gestohlen, um mit ihm über die unterschiedlichsten Grüntöne zu diskutieren, während er sich langweilte.
Und Lazzaro hat gesagt … Ich mußte lachen, konnte mich nicht mehr beruhigen. Lazzaro hat gesagt, der Händler habe gesagt, es sei ein Verrückter dagewesen und habe alle Grüntöne aufgekauft, so daß er nun ohne jedes Grün war. Eine ganze Woche lang ohne Grün.
Daniele bemühte sich, mir die Schuhe auszuziehen, aber ich war verkehrt herum hineingeschlüpft, und sie ließen sich nicht lockern.
So war es, sagte er geduldig ohne großen Erfolg, die Riemen zu lösen.
Und dann habe ich Pinien gemalt, sagte ich befriedigt, und jetzt werde ich …
Jetzt wirst du keine weiteren Pinien mehr malen, die Pinien hast du vorher gemalt, sagte Daniele energisch und preßte mir einen feuchten Lappen auf meine Stirn.
Vorher! schrie ich zornig.
Ja, ja, natürlich vorher, das wissen wir ja bereits. Nachher warst du im Wirtshaus. In den Wirtshäusern.
Ich weiß nicht mehr, wie lange unsere Debatte über vorher und nachher, über die Pinien und die Wirtshäuser dauerte, auf jeden Fall taten wir so, als habe es die Zeit dazwischen nie gegeben.
Es war ein normaler Arbeitstag, sagte ich mühsam. Die Campana grossa läutete vom Campanile der Kirche Santa Reparata, die Campana del clero rief die Geistlichen von allen Stadtkirchen zusammen, und die Ferrantina hörte ich ebenfalls. Dann war die Messe und danach ging ich mit euch allen zusammen hierher zurück in unser Haus am Arno. War es nicht so?
Es war so, versuchte Daniele mich zu besänftigen. Aber eigentlich war Sonntag.
Nun ja, dann war eben Sonntag. Und ich wollte ursprünglich Tetraeder malen. Weil ihr alle weggehen wolltet, sagte ich vorwurfsvoll: Ihr laßt mich zurück. Und mit weinerlicher Stimme fügte ich hinzu: Wie damals in der pila. Es ist immer wie in der pila, sagte ich jetzt tonlos. Ich werde sie nie los. Wirst du sie auch nie los?
Daniele stöhnte. Ich war nie in der pila, du erinnerst dich doch?
Ich dachte einige Zeit angestrengt über die pila nach, dann fand ich den Faden wieder. Ich wollte Tetraeder malen, aber dann fielen mir die Pinien ein. Zeig sie mir! bat ich Daniele. Ich möchte sie sehen. Ich wollte sie in eine Kreuzigungsszene einbauen, wo sie gut hingepaßt hätten.
Daniele verschwand aufatmend aus meiner Kammer und suchte im Atelier nach irgendwelchen Kontoblättern mit Pinienskizzen. Ich hörte ihn fluchen, aber bis er sie gefunden hatte, mußte ich eingeschlafen sein.
Und die Zeitspanne zwischen dem Pinienmalen und dem ›Lamm Gottes‹, in dem ich Hunderte Becher Wein getrunken haben mußte, stieg vor mir auf, obwohl ich nie wieder in meinem Leben an diese Vorgänge erinnert werden wollte.
An den Anfang erinnerte ich mich erst einen Tag später, als mein Kopf wieder klar und mein Schamgefühl in etwa überwunden war.
Findet ihr das eigentlich gut, daß wir ihm diesen Freundesdienst noch immer nicht erwiesen haben? hatte Lazzaro gefragt und sich vor dem Spiegel nach links und rechts geneigt, um auch die letzten Bartstoppeln zu beseitigen.
Laßt ihn in Frieden! sagte Rocco und setzte seinen mazzocchio auf. Es ist seine Sache.
Eines Tages werden sich die Frauen vor dem Dom vor Lachen
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