Der Brennende Salamander
zweitesmal: Taddeo, komm zu mir her!
Sie streckte die Hände nach dem Jungen aus, als müsse er jeden Augenblick aus dem Bild heraustreten und sich in ihre Arme werfen.
Ich legte den Pinsel zur Seite und schaute Brigida an. Ist es dir recht, wennwir ihn mit dem zweiten Namen Barnabas nennen? fragte ich dann ernst.
Barnabas, sagte sie grübelnd, weshalb Barnabas?
Ich klappte meinen Skizzenblock zu und vertrödelte Zeit mit dem Schließen des Malkastens, der klemmte. Dann schaute ich sie an. Ich möchte ihn nach meinem Vater nennen, sagte ich leise.
Sie verschränkte die Hände im Schoß, schaute mich hilflos an. Und schwieg.
Ich habe ihn immer so genannt, erklärte ich. Wenn ich ihn mir vorstellte, dann nannte ich ihn Barnabas, Sohn des Trostes auf aramäisch.
Sie strich mir über die Hand, legte ihr Gesicht dann sehr sanft an das meine. Gut, nennen wir ihn Barnabas – mit dem ersten Namen.
In der Nacht dann wieder meine übliche Schlaflosigkeit. Barnabas. Schon bereute ich, unserem Kind keinen anderen Namen gegeben zu haben, einen gefälligeren wie zum Beispiel Samuel, Jakob oder Benjamin. Barnabas würde vielleicht andere Kinder zum Lachen bringen oder den Abakusmeister zum Spott anregen: So, so, einen derart großen Namen trägst du. Mußt du dir dann nicht ein bißchen mehr Mühe geben, mit dem Rechnen vor allem?
Wir waren Kinder, manchmal sagte ich mir heute diesen Satz zehnmal hintereinander, Kinder, als dies geschah. Ich wußte nicht einmal mehr, wie alt wir waren, als wir auf jener Wiese saßen.
Und selbstverständlich hatte ich kein Recht, daraus abzuleiten, daß heute noch etwas galt, was damals selbstverständlich schien. Aber ich will trotzdem, daß es gilt. Ich will diesen Barnabas oder Samuel oder Jakob. Und ich bin bereit, heute wie damals, alles zu tun, daß es eines Tages so sein wird.
Damals war alles noch offen, damals verbrachte ich meine Tage und Nächte noch im Ospedale, damals fütterte ich meine Raupen. Und tötete sie, wenn es an der Zeit war.
Damals lag mein Leben in aller Ungewißheit vor mir, und Brigida fragte mich eines Tages mehr als ängstlich: Was wirst du tun, wenn du mit achtzehn das Haus verlassen mußt?
Ich schüttelte den Kopf. Ich weiß es nicht.
Aber sie werden euch doch weiterhelfen, sie werden dich nicht auf die Straße setzen. Du wirst wo bleiben müssen, essen müssen, schlafen müssen. Wo soll das stattfinden?
Ich schüttelte wieder den Kopf. Vielleicht kann ich zu meinem Meister ziehen, sagte ich, wenig überzeugt, da ich soeben den Beruf des Färbers hingeworfen hatte – es war bereits mein zweiter – und nun in eine Malerlehre ging.
Willst du das?
Ich werde froh sein, wenn er es mir anbietet. Es wird viele Jahre dauern, bis ich mit meiner Ausbildung fertig bin; es können dreizehn werden.
Dreizehn Jahre! sie schüttelte entsetzt den Kopf. Müssen wir so lange warten, bis wir Barnabas haben dürfen? Wieso dauert es so lange?
Ich muß lernen, Leim zu kochen, Farben anzureiben, Gips zu mahlen, mit Gips zu grundieren, muß lernen zu körnen, zu schaben, zu vergolden und mit Beizen zu ornamentieren. Ich muß wissen, wie man Goldgewänder macht, muß mit Goldpapier arbeiten können, mit Glas, mit Eisen, mit Holz, mit Seide, auf Pergament, auf Papier, auf Leinwand. Man braucht fünf bis sieben Jahre als garzone , zwei bis drei Jahre arbeitest du dann als Geselle, als lavorante , und dann erst darfst du ein Meisterstück anfertigen und dich irgendwann maestro nennen.
Ich habe nicht gewußt, daß dies so lange dauert, sagte sie mutlos. War das bei allen so?
Leonardo da Vinci war vierzehn, als er bei Verrocchio begann, Michelangelo kam mit dreizehn zu Ghirlandaio, und Tizian war sogar erst neun, als er zu Zuccato nach Venedig kam.
Und was ist dann das Höchste für dich? Ich meine, wenn du mit allem fertig bist?
Daß ich eines Tages pinxit auf mein Bild schreiben darf. Und meinen Namen. Meinen Namen ganz allein.
D AS H AUS IN DER V IA N UOVA D EGLI S PARDAI
Ich traf Brigidas Bräutigam erst Wochen später, an einem Tag, der kaum dazu angetan war, sich Gedanken um eine Hochzeit zu machen, die nicht die meine sein würde.
Es war der Tag, an dem mich Lazzaro der Lächerlichkeit preisgab. Der Tag, an dem er vor den anderen verkündete, daß er mich noch am selben Abend in die Kunst des far coppia einweihen wolle.
Später hätte ich nicht mehr sagen können, was diese mehr als groteske Situation eigentlich heraufbeschworen hatte, woran sie sich
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