Der Brennende Salamander
schütteln, wenn sie erfahren, daß er nicht einmal weiß, was es ist, geschweige denn, wie man es macht.
Er weiß, was es ist, sagte Rocco und wandte sich zum Gehen. Und er weiß wohl auch, wie man es macht.
Was man nie gemacht hat, kennt man nicht, beharrte Lazzaro und nahm einige Skizzenblätter vom Boden. Schaut euch doch an, was euer Malbruder an einem hellen Sonntag macht, an dem andere das Leben in vollen Zügen genießen. Er kann sich als Pinienwaldmaler anbieten.
Leonello warf einen Blick auf meine Bilder, Daniele schob sie zur Seite. Es ist seine Sache. Und außerdem sind die Pinien gut.
Daraus besteht aber nicht das ganze Leben, sagte Lazzaro grob. Er schneidet einen Teil aus diesem Leben heraus und behauptet, es gibt diesen Teil nicht. Weil er Angst hat, sich diesem Lebensteil zu stellen. Und weshalb hat er diese Angst, noch immer? Ich brauche euch das nicht zu sagen. Dir im besonderen nicht, sagte Lazzaro erregt und deutete auf Daniele. Das, was du da noch immer in deiner Kiste aufbewahrst, gehört längst auf den Müll. Es stinkt bereits.
Falls du je so etwas tust, werde ich dir die Kehle durchschneiden, sagte Daniele in aller Ruhe, worauf Rocco, bereits unter der Tür, sich abrupt umdrehte.
Hört auf, sagte er. Ich hoffe, ich kann euch alleinlassen und heute abend trotzdem noch lebend vorfinden.
Das, was nach seinem Weggang geschah, verwischte sich dann ziemlich bald in meinem Gedächtnis zu einem gigantischen Chaos. Ich hatte Wein getrunken, den mir Lazzaro eingeschenkt hatte, viel Wein schon am Morgen. Ich hatte ihn rasch getrunken, entgegen aller Vernunft. Und ich hatte ihn auf nüchternen Magen getrunken, ebenfalls wider alle Vernunft. Ich wollte nichts mehr von mir wissen.
Bring es endlich hinter dich! hatte Lazzaro gedrängt und mich mit einem Blick bedacht, wie er zwischen Männern üblich ist. Mein Vater hatte einst einen Gallenstein, von dem er genau wußte, daß er ihn herausschneiden lassen sollte. Aber er hat so lange damit gewartet, bis es eines Tages zu spät war.
Leonello schaute zur Tür herein und winkte uns fröhlich zu. Bis später dann! Ich bin im ›Goldenen Anker‹.
Lazzaro nickte ihm zu und schickte auch Daniele weg. Geh! Du stehst seiner Entscheidung nur im Wege.
Du mußt sie dir ebenfalls herausschneiden wie einen Stein. Du bekommst sie nicht, drängte er dann. Und wenn du auch tausend Nächte tausend Träume von ihr hast, sie wird nie mit dir vor dem Priester stehen. Du wirst sie nicht bekommen.
Ich wußte – oder glaubte zu wissen –, daß er recht hatte, aber ich war störrisch. Störrisch zu sein ist meine einzige Kraft, um gegen diese Art von Verlust anzugehen. Ob und wann ich bei einer Frau liege, wollte ich bestimmen, dies gehörte zu meinen immerwährenden Schwüren, die mir heilig waren. Und wann ich es zum erstenmal tun sollte, wollte ich ebenfalls für mich entscheiden. Es sollte keinesfalls ein Zufallsergebnis sein: Der Mond schien hell, die Zikaden sägten, eine Sternschnuppe fiel, der Jasmin duftete, und schon war ich in einer drin, die ich überhaupt nicht kannte, deren Gesicht ich mir zuvor nie hatte einprägen können. Ich wollte es zelebrieren, von der ersten Sekunde an. Eine Stunde, die mir gehörte, die ich ihr schenken wollte. Ganz. Mich sollte sie ebenfalls ganz bekommen, mit Haut und Haaren. Und es gelüstete mich keinesfalls danach, eine Liste an der Wand zu führen, auf der die Frauen, die von mir bestiegen worden waren, fein säuberlich mit ihren Kosenamen aufgezählt sind, wie dies Lazzaro abartigerweise zu tun pflegte.
Vielleicht wäre noch immer alles anders verlaufen, wenn nicht plötzlich sowohl Rocco als auch Leonello und Daniele nochmals zurückgekehrt wären. Eigenartigerweise hatte jeder etwas vergessen, und sie wühlten lautstark in ihren Truhen.
Konntet ihr das nicht vorher machen! sagte Lazzaro grob. Ausgerechnet jetzt, nachdem wir es gerade hinter uns hatten.
Ich ließ sie in ihren Truhen wühlen, ließ Rede und Antwort an mir vorüberrauschen, als säße ich auf einer sehr weichen Wolke, die unter mir davonschwebte, mit der ich aber nicht im geringsten etwas zu tun hatte.
Ich hörte Zahlen, die vermutlich die Anzahl der gekauften Frauen waren. Ich hörte Lazzaro lautstark wiederholen, daß ich endlich wissen müsse, wie es sei. Das gleiche gelte für Daniele, damit diese endlosen Berichte von seinen Ziegen und Schafen endlich ein Ende hätten.
Wie man's macht, wußte ich schon mit fünf, sagte ich plötzlich und fiel
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